Die Bundesregierung rückt im Jahr ihrer G20-Präsidentschaft Afrika ins politische Blickfeld. Deshalb gibt es im Juni eine Afrika-Konferenz in Berlin, der Finanzminister plant einen „Compact with Africa“, um dort private Investitionen sicherer zu machen, und Entwicklungsminister Müller hat im Januar Eckpunkte für einen „Marshallplan mit Afrika“ vorgelegt – schon dem Namen nach das ehrgeizigste und umfassendste Vorhaben.
Gut, dass sein Ministerium die Gunst der Stunde nutzt, um über Fluchtursachen und ihre Bekämpfung zu diskutieren und in deutschen Unternehmerkreisen mehr Aufmerksamkeit auf die Potenziale und Entwicklungschancen Afrikas zu lenken. Entwicklungs- und Finanzminister sind sich außerdem einig, dass die Beschäftigungschancen in den afrikanischen Staaten wachsen müssen und dass es privater Investitionen sowie stabiler und inklusiver Finanzsysteme bedarf. Einen „Big Push“, wie ihn der Name „Marshallplan“ verspricht, kann es allerdings nur geben, wenn der Vorstoß auch in anderen Ministerien auf Resonanz stößt und zu einer entsprechenden Gesamtkonzeption der Afrika-Politik führt.
Denn natürlich – und das stellt der „Marshallplan“ zu Recht heraus – kann Entwicklungshilfe nicht alles richten. Solange Handels- und Außenwirtschaftspolitik nicht faire Rahmenbedingungen schaffen und sicherstellen, dass auch die afrikanischen Gesellschaften von Handel und Investitionen profitieren, erzeugt staatliche Entwicklungshilfe kaum Schubkraft. Solange deutsche und europäische Regierungen durch ihre Klimapolitik, Rüstungsexporte oder sicherheitspolitische Zusammenarbeit den Frieden Afrikas untergraben, sollte sich keiner beklagen, dass Entwicklungspolitik nicht bewirkt, was man sich von ihr erhofft: nämlich Bleibeperspektiven in den Herkunftsstaaten zu schaffen.
Gleiche Chancen für afrikanische Produzenten
Nicht zuletzt deshalb wäre es bei den anstehenden Verhandlungen hilfreich, Anregungen der Marshallplan-Initiative zu beherzigen. Zum Beispiel die, den afrikanischen Staaten die Möglichkeit zu lassen, schwache Sektoren wie die eigene Agrarproduktion durch Schutzzölle zu stärken. Auch sollte man den Hinweis auf eine neue Schuldenspirale ernst nehmen und strenge Kriterien für verantwortliche Kreditvergabe und -aufnahme, wie sie von der UNCTAD vorgelegt wurden, verbindlich anwenden. Zudem braucht es einen verbindlichen Rechtsrahmen für die faire Umstrukturierung untragbarer Schuldenlasten.
Die Erkenntnis, dass die nötige Entwicklung Afrikas vor allem Chancengleichheit für afrikanische Produzenten braucht, schlägt sich in der deutschen und europäischen Investitions- und Handelspolitik noch nicht verbindlich nieder. Standards für Menschenrechte, Soziales und Umweltschutz müssen die Grundlage für jegliche Zusammenarbeit bilden; an sie gilt es die avisierten staatlichen Investitionsförderungen zu koppeln. Die Debatte um den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte ist kürzlich genau daran gescheitert.
Die AU war an der Planung nicht beteiligt
Es ist richtig, von den afrikanischen Regierungen Good Governance zu fordern und Afrikas Eliten anzuprangern, die oft selbst die Urheber von Problemen sind. Aber Bundesregierung und EU müssen sich auch in ihrem eigenen Handeln konsequent an die Leitsätze des Guten Regierens halten, was sie nicht immer tun. So fördert die Bundesregierung im Rahmen des Khartum-Prozesses indirekt Länder wie Eritrea und Sudan – und damit anerkannte Menschenrechtsverletzer, die laut Transparency International zu den zehn korruptesten Ländern weltweit gehören –, um sich „Flüchtlinge vom Hals zu halten“. Eine solche Botschaft an Afrika, dass man die Menschenrechte je nach Sachlage doch nicht so ernst nehmen muss, können auch die Ambitionen eines Marshallplans nicht übertönen. Derlei Inkohärenz abzustellen, wäre ein wichtiges Ergebnis der Initiativen der Bundesregierung.
Es bleibt abzuwarten, wie die AU und die Staaten Afrikas die Initiativen aufnehmen, an deren Entwicklung sie nicht beteiligt waren. Jetzt sollten sie erst einmal auf Augenhöhe an der Diskussion beteiligt werden, so dass das Gespräch dem von Minister Müller angekündigten Ende der Geber-Nehmer-Beziehungen entspricht.
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