„Im Gesundheitsbereich wird die Rolle der Zivilgesellschaft häufig immer noch auf die eines Dienstleisters begrenzt“, beklagten Teilnehmer einer Konferenz der entwicklungspolitischen Dachverbands VENRO in Berlin. Weil insbesondere lokale Organisationen wichtige Arbeit leisteten, sollten sie bei der Ausgestaltung von Politik ebenso beteiligt werden wie ihre Geldgeber. Die Konferenz Ende September, die unter anderem von Misereor, Oxfam, Brot für die Welt und World Vision getragen wurde, hatte zum Ziel, Erwartungen auf dem Weg zu den UN-Nachhaltigkeitszielen zu formulieren.
Die Bundesregierung hat die Initiative „Healthy Systems, Healthy lives“ angestoßen, in der zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation ein globaler Fahrplan für den Ausbau einer Basisversorgung in Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen entwickelt werden soll. Die so genannte Roadmap sollte eigentlich im Sommer 2016 vorgelegt werden, Berlin will dafür 600 Millionen Euro bereitstellen. Als Partner hat sich dafür die zivilgesellschaftliche Bewegung Universal Health Coverage 2030 formiert.
Staatssekretär Thomas Silberhorn vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) betonte, für eine Stärkung der Gesundheitssysteme müssten die beteiligten Institutionen besser miteinander vernetzt werden. Damit griff er immerhin ein Anliegen der Konferenz auf: Angesichts einer zunehmend zerklüfteten Gesundheitsarchitektur aus unzähligen Partnerschaften, sogenannten Multi-Akteursplattformen, Privatunternehmen und philanthropischen Stiftungen müssten neue Formen der Abstimmung, Arbeitsteilung und vor allem der Rechenschaftspflicht gefunden werden. Dafür, so eine Erkenntnis des Treffens, sei auch staatliche Regulierung notwendig.
Die Partnerländer sollen das Heft in die Hand nehmen
Weniger Übereinstimmung gab es bei der Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Während VENRO für sie eine stärkere Aufsichts- und Steuerungsrolle mit mehr ungebundener Finanzierung wünscht, sprach das Kanzleramt lediglich von „struktureller Stärkung“ der WHO und einer möglichen Erhöhung der seit Jahren konstanten Pflichtbeiträge. „Die WHO ist schwerfällig, es ist ein dickes Brett zu bohren“, sagte Referatsleiter Mathias Licharz. „Das Geld wird dahin fließen, wo die Strukturen effizient sind und das Geld abfließt.“ Großes Ansehen bei vielen Regierungen genießen etwa Partnerschaften wie die mit der Impfallianz Gavi und dem Globalen Gesundheitsfonds. „Wichtig ist dass wir den Eindruck haben, die Strukturen stimmen, und das Geld fließt ab“, sagte Licharz.
Einvernehmen herrschte hingegen darüber, dass die Partnerländer selbst mehr leisten, stärker mit den Gebern kooperieren und zu Hause die Arbeit im Gesundheitsbereich besser koordinieren sollten. Auch der UN-Sonderbeauftragte für die Agenda 2030, David Nabarro, betonte in einer Videobotschaft, die Schlüsselrolle für die Transformation der Gesundheitsversorgung falle den Partnerregierungen zu. Sie müssten Strategien formulieren, Eigenmittel mit Hilfszuwendungen kombinieren sowie mehr Daten erheben und auswerten. Zivilgesellschaftliche Kräfte wiederum müssten von den Regierungen Transparenz und Rechenschaft fordern.
Das wolle man gerne tun, allerdings brauche es dafür verlässliche Verfahren, so eine weitere Botschaft der Konferenz: Alle Geber und Akteure im Gesundheitsbereich müssten sich mit den jeweiligen staatlichen Stellen eines Landes auf einheitliche Indikatoren zur Wirkungsmessung verständigen. Derzeit gebe es zu viele unterschiedlichen Indikatoren einzelner Organisationen. Die Bundesregierung solle Partnerländer und nichtstaatliche Organisationen in Methoden der Datenerhebung unterstützen.
Kritik erntete die Bundesregierung schließlich dafür, dass der internationale Bedarf und die deutschen Finanzzusagen nicht mit der Kassenlage der Bundesregierung zusammen passten. Zwar unterstützt Deutschland laut BMZ den Gesundheitssektor weltweit mit 750 Millionen Euro pro Jahr. Silberhorn betonte überdies, dass für ein Sonderprogramm Gesundheit in Afrika bis 2019 weitere 200 Millionen Euro eingeplant seien.
Dennoch, so Teilnehmer, bleibe Deutschland mit seiner Entwicklungshilfe im Gesundheitsbereich in Höhe von 0,031 Prozent des Bruttonationalprodukts weit hinter dem von der WHO empfohlenen Minimum von 0,1 Prozent zurück. Und selbst 0,031 Prozent werden einigen Berechnungen zufolge in Wahrheit nicht erreicht.
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