Einst war das Swat-Tal im Nordwesten Pakistans bei Touristen so beliebt, dass es den Beinamen „Schweiz des Mittleren Ostens“ trug. Sie fuhren Ski oder wanderten in den Hügeln und an den Ufern der kristallklaren Seen. Das war in den 1970er Jahren, bevor militante Islamisten ihren unaufhaltsamen Feldzug begannen. 2007 erlangten die Taliban die Kontrolle über die Region, danach blieben auch die letzten Besucher weg.
Zwei Jahre später startete die pakistanische Armee eine Offensive, um die Taliban zu vertreiben. Etwa 1,5 Millionen Zivilisten flohen. Als sie zurückkehrten, fanden sie ihre Häuser, Schulen und andere öffentliche Gebäude zerstört – von den Taliban oder durch deren Kämpfe mit den Regierungstruppen.
Auch die Wirtschaft lag am Boden. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hofft nun, dass der Tourismus dringend benötigtes Geld zurückbringt. „Die Gegend ist ziemlich sicher, nicht nur für die Bewohner, sondern auch für Reisende aus dem In- und Ausland“, sagt Zarmina Waheed von der Tourismusbehörde der Provinz.
Ihre Behörde, die der Provinzregierung angegliedert ist, stehe in engem Kontakt mit Reisebüros in Nepal, China, Sri Lanka, Vietnam und Südkorea, um bekannt zu machen, dass Touristen willkommen sind, sagt Waheed. Ende März schaffte die Regierung eine Regelung ab, laut der Ausländer ein spezielles Visum für das Swat-Tal brauchten.
Die meisten Schulen wieder aufgebaut
Die Spuren, die der Konflikt hinterlassen hat, sind auf einer Reise durch das Tal noch deutlich zu sehen – eine Mahnung, dass die Taliban jederzeit zurückkehren könnten. Besucher müssen Kontrollposten passieren und Soldaten auf Patrouille gehören zum Bild. „Wir durchkämmen ständig verschiedene Gebiete und kontrollieren stichprobenartig, um Übeltäter zu schnappen“, berichtet Shahzad Ajmal, ein Soldat am Kontrollpunkt in Malam Jabba. Die Armee und die Geheimdienste hätten in den vergangenen Jahren Hunderte Angriffspläne der Taliban durchkreuzt, fügt er hinzu.
Die Regierung bemüht sich, den Einwohnern die Rückkehr in den Alltag zu erleichtern. Sie hat 101 der 113 zerstörten Schulen wieder aufgebaut, ebenso acht von 13 verwüsteten Krankenhäusern und 79 öffentliche Gebäude. Dennoch: Das einst belebte Ski-Ressort oberhalb der Stadt Malam Jabba, das die Taliban angesteckt haben, bleibt ein ausgebranntes Mahnmal zur Erinnerung an bessere Tage. Der Wiederaufbau ist im Gange, aber es wird noch zwei bis drei Jahre dauern, bis es wieder vollständig neu errichtet ist.
„Wir kommen zum ersten Mal seit neun Jahren nach Malam Jabba. Aber noch ist es nicht so, wie es vor der Taliban-Invasion war“, sagt Muhammad Saleem aus Lahore, der die Stadt mit seiner Familie besucht. Laut Zarmina Waheed von der Tourismusbehörde kommen inzwischen wieder täglich Hunderte Menschen in das Swat-Tal. Doch das ist noch weit entfernt von den Tausenden, die früher jeden Tag hierher strömten, um die Gletscher zu bewundern, die sich hinter den wogenden Wildwassern des Swat-Flusses auftürmen.
Wichtiger Ort für Buddhissten
Dennoch: Die Lage ist besser als ein paar Jahre zuvor, und die Einheimischen freuen sich über das Geld, das die Besucherinnen und Besucher hierlassen. Fazal Sher arbeitete als Touristenführer, bevor die Taliban kamen. Als die Miliz die Macht an sich riss, floh er nach Rawalpindi, wo er für knapp 600 Rupien (etwa fünf Euro) täglich Taxi fuhr. Aber er sehnte sich danach, nach Malam Jabba zurückzukehren.
„Rawalpindi ist eine schmutzige Stadt“, sagt er. „Der ständige Lärm verursachte mir Schlafstörungen. Ich wollte immer in meine friedliche und grüne Heimat zurück.“ Im vergangenen Jahr bekam er die Gelegenheit dazu. Jetzt führt er wieder Reisende durch die Gegend. Er zeigt ihnen, wo sie die besten regionalen Lebensmittel oder traditionelle Kleidung kaufen können. Und er verdient zwischen 1500 und 2000 Rupien (13 bis 17 Euro) am Tag.
„Wenn alle Straßen wieder aufgebaut werden, die Armee sich zurückzieht und die Menschen sicher sein könnten, dass die Extremisten nie wieder kommen, würde ich drei Mal so viel verdienen“, sagt Sher – so viel wie vor der Taliban-Herrschaft. Gegenwärtig kommen die meisten Touristen aus verschiedenen Teilen Pakistans, aber Sher hofft, dass er bald wieder internationale Touristen führen wird. Denn neben seiner betörenden Natur bietet das Swat-Tal archäologische Sehenswürdigkeiten aus seiner Zeit als Zentrum des Buddhismus – bevor der Islam die Region geprägt hat. Das zieht Besucher an: Laut Zarmina Waheed hat eine Gruppe chinesischer Touristen im April die Ausgrabungsstätten besucht, und eine Delegation buddhistischer Mönche aus Bhutan ist im Mai durch Swat gereist.
Aus dem Englischen von Michael Güthlein.
Der Beitrag ist im Original auf dem Internetportal www.irinnews.org erschienen. Die Verantwortung für die Übersetzung liegt bei welt-sichten.
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