Der im vergangenen Frühling ausgesprochene Lieferstopp für Kriegsmaterial in die Golfregion ist nicht länger gültig. Grund für das Moratorium war ursprünglich der Konflikt im Jemen. Obwohl kein Ende des Konflikts in Sicht ist, stellt der Bundesrat nun wirtschaftliche Interessen vor außenpolitische Bedenken. Mit dem Moratorium waren Bestellungen im Wert von mehreren Hundert Millionen Franken blockiert worden. Doch die Industrie machte Druck: Wirtschaftsverbände forderten den Bundesrat im Februar in einem Brief auf, offene Gesuche rasch zu bewilligen.
Bewilligt hat der Bundesrat nun den Verkauf von Ersatzteilen und Geschossen für Fliegerabwehrsysteme nach Saudi-Arabien, Komponenten für Panzerhaubitzen in die Vereinigten Arabischen Emirate und Baugruppen für Tiger-Kampfjets nach Bahrain. Alle diese Länder sind in den Jemen-Krieg verwickelt. Laut Bundesrat handelt es sich aber um Kriegsmaterial, bei dem „kein Grund zur Annahme besteht, dass es im Jemen-Konflikt zum Einsatz kommen könnte“.
Rote Köpfe in der Schweizer Regierung
Dem Beschluss war offenbar ein monatelanges Hin und Her im Bundesrat vorausgegangen. Für Diskussionen gesorgt haben soll die Gewichtung von humanitärem Völkerrecht und Neutralität sowie von Wirtschaftsinteressen. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sorgte sich um die Rüstungsindustrie, fand aber wiederholt keine Mehrheit für seine Anträge. Dagegen ausgesprochen haben soll sich unter anderem Außenminister Didier Burkhalter. Da Bundesratssitzungen geheim sind, basieren diese Informationen auf anonymen Quellen.
Auch die Auslegung der Kriegsmaterialverordnung soll für rote Köpfe gesorgt haben. Diese verbietet Auslandgeschäfte mit Kriegsmaterial, „wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist“. Mit Blick auf interne Konflikte argumentiert der Bundesrat nun aber, Exporte seien nur dann zu verbieten, wenn im Empfängerland selbst ein Konflikt herrsche, der mit Waffengewalt ausgetragen wird.
Das sehen Friedensorganisationen und linke Parteien anders. Sie kritisieren den Beschluss scharf und werfen dem Bundesrat vor, gegen die Kriegsmaterialverordnung zu verstoßen. Ähnlich äußerten sich Rechtsexperten laut Medienberichten. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) spricht von einem „kriminellen Bundesrat“, der „Profit über Menschenleben“ stelle. Die Schweiz beteilige sich durch die Entscheidung am Krieg im Jemen, die Schweizer Neutralität sei „endgültig zu Grabe getragen“.
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