Vor zehn Jahren hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) erstmals Zahlen zu den Sans-Papiers veröffentlicht. Damals wurde ihre Zahl auf 90.000 geschätzt. Heute soll sie laut Schätzungen in einer neuen Studie auf 76.000 gesunken sein – dies allerdings bei einer Bandbreite von 58.000 (Berechnungen aufgrund der Sterberate) bis 105.000 (Schätzungen auf Basis der Geburtenrate). Mit anderen Worten: Die Zahl dürfte sich in den vergangenen zehn Jahren nur wenig verändert haben. Wegen der Verknüpfung verschiedener Datenquellen und der ergänzenden Expertengespräche wird die Studie als fundiert und methodisch seriös anerkannt.
Als Sans-Papiers gelten laut Studie Menschen, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung länger als einen Monat und für eine nicht absehbare Zeit in der Schweiz aufhalten. Die größte Gruppe (63 Prozent) ist illegal oder als Touristen eingereist. Der Anteil abgewiesener Asylsuchender unter den Sans-Papiers wird auf rund 19 Prozent geschätzt, dürfte laut der Menschenrechtsexpertin Anni Lanz in Wirklichkeit aber höher sein. Laut der Studie kommen die meisten Sans-Papiers aus Zentral- oder Südamerika (43 Prozent), gefolgt von Europa außerhalb der EU (24 Prozent), Afrika (19 Prozent) und Asien (elf Prozent). Aus Lateinamerika emigrieren vor allem Frauen in die Schweiz, um schwarz im Care-Bereich zu arbeiten. Hier wächst die Nachfrage, weil immer mehr Mütter arbeiten und es an Krippenplätzen mangelt und weil immer mehr alte Menschen Pflege brauchen.
Die Kantone behandeln Härtefälle sehr unterschiedlich
Die Sans-Papiers aus Afrika und Asien sind vor allem untergetauchte Asylsuchende, Männer sind in der Überzahl. Auch die Sans-Papiers aus europäischen Drittstaaten sind meist Männer, da auf dem Bau, in der Landwirtschaft und auch im Gastgewerbe männliche Arbeitskräfte und für Saisonarbeiten mobile Migranten aus Europa bevorzugt werden. 86 Prozent der Sans Papiers arbeiten, zwei Drittel von ihnen sind zwischen 18 und 40 Jahre alt. 22 Prozent haben einen Hochschulabschluss, 41 Prozent gelten als gering qualifiziert.
Sans-Papiers können nur im Rahmen von Härtefallregelungen ihren Aufenthaltsstatus legalisieren. Das Risiko, ihre Identität preiszugeben, gehen aber nur sehr wenige ein. Der risikofreie Zugang zu ihren Rechten – beispielsweise auf Sozialversicherungen – sei deshalb eine ständige Forderung der Sans-Papiers-Bewegung, sagt Anni Lanz. Zugleich zeigt die Studie eine äußerst ungleiche Bewertung von Härtefallgesuchen in den Schweizer Kantonen. Lanz fordert deshalb ein vereinfachtes Legalisierungsverfahren. „Leider bestimmen aber die politischen Kräfteverhältnisse und nicht die Lösungsorientierung den Diskussionsverlauf“, kritisiert sie.
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