Laut der Internationalen Energie-Agentur IEA leben in Afrika mehr als 620 Millionen Menschen ohne elektrischen Strom. Das heißt, sie können abends nicht das Licht anknipsen, um zu lesen oder zu studieren. Sie müssen ihre Läden schließen, wenn es dunkel wird. Und sie können keine Maschinen betreiben, etwa um ihr Getreide zu mahlen. Vier von fünf dieser Leute leben auf dem Land, und es ist ausgeschlossen, dass sie in absehbarer Zukunft an das nationale Stromnetz – sofern es eines gibt – angeschlossen werden, sagt Tobias Becker, der beim Energietechnik-Konzern ABB für das Afrika-Geschäft zuständig ist. Die Lösung: netzunabhängige Stromversorgung durch Kleinkraftwerke oder sogenannte „mini grids“ – kleine lokale Stromnetze, die Kleinkraftwerke miteinander verbinden und nicht nur ein Haus, sondern ein ganzes Dorf versorgen können.
Deutsche Firmen, die solche Lösungen anbieten, heißen Mobisol, Phaesun oder Qinous. Beim diesjährigen Deutsch-Afrikanischen Energie-Forum Anfang der Woche in Hamburg standen sie im Mittelpunkt der Diskussion, nicht etwa Giganten wie ABB, Siemens oder der Staudammbauer Voith. Für Christoph Kannengießer, den Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, der das Forum seit zehn Jahren veranstaltet, kennzeichnet das einen Trend: Früher sei es vor allem um Geschäfte im Öl- und Gassektor gegangen, neuerdings stünden innovative Ansätze für eine saubere Stromversorgung aus Sonne und Windkraft im Vordergrund.
Faire Verteilung von Risiken
Stefan Liebing, der Präsident des Afrika-Vereins, zog Parallelen zur deutschen Energiewende: Die sei nicht von den großen Energieversorgern vorangetrieben worden, sondern von vielen kleinen Unternehmen und Initiativen auf lokaler Ebene. Auch in Afrika tut sich einiges in dieser Hinsicht – nirgendwo sonst gebe es mehr spannende Projekte, die erneuerbare Energien etwa mit Mobilfunktechnologie verbinden, sagt ABB-Mann Becker. Dennoch: Kleine und mittelständische Firmen mit guten Ideen, die in Afrika investieren wollen, müssten stärker gefördert werden, sagt Stefan Liebing: Die finanziellen Risiken solcher Investitionen müssten fair verteilt werden auf die Unternehmen und die Regierungen in Afrika und in Berlin.
Aber ganz ohne Großkraftwerke, die viel Strom etwa für Städte oder Industriebetriebe liefern, geht es auch nicht. Nur muss dann auch in die Netze investiert werden, die den Strom transportieren, sagte Liebing an die Adresse der nach Hamburg gereisten Energieminister aus Ländern wie Äthiopien, Sudan oder Namibia. Das werde oft vernachlässigt.
Äthiopien errichtet gerade zwei riesige Staudämme am Nil und weiter südlich im Omo-Tal. Auf Journalistenfragen, ob der Nil-Damm für Ärger mit den Nachbarn Sudan und Ägypten sorge und ob denn auch die arme Landbevölkerung etwas von dem Strom des Omo-Damms abbekomme, antwortete der äthiopische Minister für Wasser und Energie, Motuma Mekasa, im besten Politikersprech: Sudan, Ägypten und sein Land seien beste Freunde, und seine Regierung denke fortwährend an das Wohl der armen Bevölkerung.
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