Auf sicherem Weg nach Europa

Humanitäre Korridore
Eine ökumenische Initiative besorgt Flüchtlingen humanitäre Visa und bringt sie auf sicherem Weg nach Italien. Das Modellprojekt ist das erste seiner Art in Europa und richtet sich an Flüchtlinge im Libanon, in Marokko und Äthiopien. Ende Februar sind die ersten 93 syrischen Flüchtlinge mit dem Flugzeug in Rom angekommen.

Über Monate haben die katholische Gemeinschaft Sant’Egidio, die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Italien und die Waldenserkirche mit den italienischen Behörden verhandelt, bis endlich klar war, wie die humanitären Korridore vom Libanon, von Marokko und Äthiopien aus funktionieren sollen. In den nächsten zwei Jahren will die ökumenischen Initiative insgesamt tausend Menschen mit besonderem Schutzbedarf wie zum Beispiel Opfer von Verfolgung, Folter und Gewalt, Familien mit Kindern, alte Menschen, Kranke und Menschen mit Behinderung mit dem Flugzeug nach Italien holen. Geplant ist, dass aus dem Libanon etwa 600 syrische Flüchtlinge, aus Marokko etwa 150 Personen aus Ländern südlich der Sahara sowie aus Flüchtlingslagern in Äthiopien 250 Eritreer, Somalier und Sudanesen geholt werden. Ende Februar kamen die ersten 93 syrischen Flüchtlinge mit dem Flugzeug von Beirut in Rom an.

Partnerorganisationen vor Ort entscheiden, wer in das Programm aufgenommen wird. Die italienischen Konsulate im Libanon, in Äthiopien und Marokko nehmen die Personalien und Fingerabdrücke der jeweiligen Personen auf und stellen humanitäre Visa aus. Diese berechtigen die Flüchtlinge nur zum Aufenthalt in Italien, nicht aber im Schengen-Raum. Nach ihrer Ankunft ist die ökumenische Initiative verantwortlich für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge. Die Kosten des Gesamtprojekts von einer Million Euro tragen die beteiligten Verbände, teilweise erhalten sie Unterstützung von ausländischen Partnern wie der westfälischen Landeskirche.

Es gibt ­sichere Wege übers Mittelmeer

In Deutschland ist ein solches humanitäres Programm bisher nicht geplant. Man habe aber Gespräche mit Vertretern aus Kirche und Politik geführt, um auf das Projekt aufmerksam zu machen und dafür zu werben, sagt Dieter Wenderlein, der bei Sant’Egidio in Deutschland für Entwicklungsprojekte und humanitäre Hilfen verantwortlich ist. „Wir hoffen, dass die Erfahrungen der italienischen Initiative andere in Europa zu ähnlichen Projekten anregen.“ Das Projekt zeige, dass es möglich ist, Flüchtlinge legal und sicher über das Mittelmeer zu bringen. Wenderlein ist sich der Fallstricke des Projekts durchaus bewusst: „Angesichts der Millionen Flüchtlinge weltweit erscheint die Zahl Tausend gering, und natürlich stellt sich die Frage, wie unter den vielen Notleidenden eine Auswahl getroffen werden kann.“ Nichts zu tun, sei aber auch keine Alternative.

Susanne Bühl, Sprecherin von Sant’Egidio Deutschland, betont, dass die Partnerorganisationen vor Ort sehr darauf achten, in den Flüchtlingslagern keine falschen Hoffnungen zu wecken. Damit sich keine langen Bewerberschlangen bilden, habe man auf eigene Koordinationsbüros verzichtet und arbeite mit Leuten zusammen, die die Situation in den Lagern genau kennen. Bei der Auswahl der Personen sei das UN-Flüchtlingshilfswerk eingebunden, sagt Bühl. „Es gelten die internationalen Kriterien für humanitären Schutz. Die Religionszugehörigkeit spielt beispielsweise bei der Auswahl keine Rolle.“ Die Initiative zeige, dass die Todesfahrten über das Mittelmeer und die Ausbeutung durch Menschenhändler und Schleuser verhindert werden können.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2016: Entwicklungsbanken: Geld mit Nebenwirkungen
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