Wer die Welt besser machen will, muss damit zuhause anfangen. Das ist Ausgangspunkt der 2014 von Entwicklungsminister Gerd Müller aufgelegten Zukunftscharta mit dem Titel „Einewelt – Unsere Verantwortung“. Das Papier soll die Richtung für die Entwicklungspolitik der kommenden Jahre vorgeben. Um Klimaschutz, Hunger und Armut geht es da, aber auch um Flucht und Migration. Nur, kaum einer kennt die Charta. Und wer davon gehört hat, weiß oft nicht, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
Um das zu ändern reist Entwicklungsminister Gerd Müller seit dem Herbst vergangenen Jahres durch die deutschen Lande. Die „Zukunftstour“ soll die Themen einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen und im Dialog mit den Bürgern in praktische Schritte überführen.
Wen er dabei in die Verantwortung nehmen will, machte der Minister bei der Station Mitte Februar in den Räumen der KfW-Bank in Frankfurt deutlich: Man müsse vor allem über den globalen Handel reden und die Verantwortung der Verbraucher, sagte Müller bei einer Diskussion zur Frage „Lebensqualität auf Kosten anderer: Hat unser Glück Grenzen?“ Fair gehandelte Schokolade, Anzüge, die unter guten Arbeitsbedingungen produziert wurden, und Handys, an denen nicht das Blut der Kinderarbeiter klebt, sind für ihn die Schlüssel zu einer gerechteren Welt. Er sei froh, dass Angela Merkel das Thema globale Wertschöpfungsketten in die G7 eingebracht habe, meinte Müller. Und: Deutschlands Standards müssten als Vorbild für die ganze Welt gelten. Wie genau das funktionieren kann und ob das allein der Macht der Konsumenten überlassen werden sollte, erklärte er nicht.
Die Jugend ist nicht überzeugt
Als klarer Gegner von zu viel Regulierung sprach sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier aus: Es brauche freiwillige Bündnisse mit der Wirtschaft. „Wir müssen aufhören, Ökologie und Ökonomie gegeneinander auszuspielen.“ Einem ähnlichen Ansatz folge auch die hessische Nachhaltigkeitsstrategie, die den Beteiligten viel Spielraum lasse. „Es macht keinen irgendwo anders auf der Welt glücklicher, wenn wir hier ärmer werden“, sagte Bouffier.
Eine Sichtweise, die nicht alle überzeugt: Schon gar nicht die Jugend, um deren Zukunft es ja bei all dem gehen sollte. Man könne nicht einfach so weitermachen, sondern müsse die eigene Lebensweise hinterfragen, kritisierte die Studentin Carlotta Grohmann, die als Stimme der Jugend sprechen durfte. Wenig überzeugend sei auch, dass ein Minister mehr fairen Handel fordere, die Regierung mit TTIP aber zugleich ein Freihandelsabkommen vorantreibe, dass die Standards im sozialen Bereich und beim Umweltschutz untergrabe. Und überhaupt: Die Zukunftscharta klinge zwar vielversprechend, es sei aber völlig unklar, an welchen Punkte man ansetzen sollte.
Eine Antwort auf letztere Frage blieb auch die Veranstaltung in Frankfurt schuldig. Aber viel mehr als etwas Aufmerksamkeit für ein Nischenthema ist von dem Format wohl auch nicht zu erwarten. Die entscheidenden Weichen werden andernorts gestellt. Während der Ministerpräsident später die neue Zielvereinbarung für nachhaltige Beschaffung in Hessen vorstellte, war der Entwicklungsminister längst auf der Weiterreise nach München. Dort wurde über den Syrienkrieg und eine Lösung der Flüchtlingskrise diskutiert – manchmal ist es eben doch viel entscheidender, welchen Gang die weit entfernte Weltpolitik einschlägt.
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