Eine Jeans für 9,99 Euro – „manuell sandgestrahlt in der Türkei, dies führt zu Atemwegserkrankungen (Silikose) aufgrund von giftigen Dämpfen“. Passend dazu das T-Shirt für nur 4,29 Euro – „beide wurden auf Kosten der ArbeiterInnen billig produziert“. Dies ist keine besonders werbewirksame Botschaft, doch so ist es in einem Prospekt zu lesen, der auf den ersten Blick wie eine Reklame von Aldi wirkt. Auf den zweiten Blick sieht der Betrachter allerdings, dass es sich um eine Persiflage handelt, denn sämtliche Logos wurden verändert. Die Christliche Initiative Romero will damit auf die nach ihren Recherchen miserablen Arbeitsbedingungen in Aldi-Zulieferfirmen in Ländern wie Guatemala, Honduras oder Vietnam aufmerksam machen. Die Essener Unternehmensgruppe Aldi Nord GmbH wehrt sich gegen die Beschuldigungen und hat in einem Schreiben ihrer Anwälte die CIR aufgefordert, die Verteilung des Prospekts zu unterlassen. Anders als in diesem Schreiben angedroht, will Aldi bei Zuwiderhandlung nun aber doch nicht gerichtlich gegen Romero vorgehen.
Autorin
Saara Wendisch
war bis August 2012 Volontärin bei "welt-sichten".„Unsere Quellen sind Aussagen von Arbeitern und Arbeitsrechtsorganisationen vor Ort“, sagt Sandra Dusch Silva, Referentin bei der CIR. Die setzt sich seit 1981 für Arbeits- und Menschenrechte in Ländern Mittelamerikas ein. Die Organisation werde sich nicht einschüchtern lassen, sagt Dusch Silva. Mit den Prospekten und auf ihrer Internetseite ruft sie weiterhin zu Protestaktionen gegen Aldi auf. Die Organisation fordert, Aldi solle die Produktionsbedingungen bei seinen Zulieferern offenlegen und auf die Einhaltung von Sozialstandards bei den Lieferanten achten.
In einer schriftlichen Stellungnahme von Aldi gegenüber „welt-sichten“ teilte das Unternehmen mit, dass es nicht die Absicht habe, gerichtlich gegen die CIR vorzugehen, sondern lediglich eine Abmahnung habe aussprechen lassen, da „eindeutig“ Rechte verletzt und „unzutreffende Aussagen“ getätigt worden seien. So habe Aldi zum Beispiel zu keinem Zeitpunkt ein „Nokia-Handy 3110“ angeboten hat, noch vertreibe es Weihnachtssterne aus Guatemala, wie es in dem Persiflageprospekt dargestellt werde. Die Weihnachtssterne stammen laut Aldi aus deutscher Produktion. Außerdem sei der im Prospekt abgebildete Multimedia-Monitor „weder von Aldi angeboten, noch von der Medion AG vertrieben“ worden.
Dusch Silva räumt ein, dass zwar Aldi Nord diese Produkte nicht vertreibe, sie jedoch zum Sortiment von Aldi Süd gehörten. Die Persiflage nutze die Symbole und Farben von Aldi Nord, doch angesprochen werden sollten beide Unternehmensgruppen. Den Originalbildschirm der Firma Medion habe die Christliche Initiative Romero aus markenrechtlichen Gründen nicht abbilden dürfen. Die Argumentation von Aldi geht für Dusch Silva jedoch „am Thema vorbei“.
Aldi macht in seinem Schreiben außerdem darauf aufmerksam, dass das Unternehmen seit 2008 der Business Social Compliance Initiative (BSCI) angehört. Denn auch für Aldi seien „Verstöße gegen Menschen- und Arbeitsrechte nicht hinnehmbar“. Die Initiative ist ein Verbund international tätiger Unternehmen, der sich für die Umsetzung einheitlicher und sozialer Produktionsstandards einsetzt. Die Initiative steht jedoch selbst bereits seit längerem in der Kritik. Zahlreiche Organisationen bemängeln, sie sei intransparent und lasse sich nicht von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen kontrollieren.