„Die USA blocken ab“

WTO-Verhandlungen
Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO in Nairobi hat das Ende der Exportsubventionen für Agrarprodukte beschlossen. Der Handelsexperte Tobias Reichert von Germanwatch erklärt, warum die Landwirtschaft trotzdem der größte Streitpunkt innerhalb der WTO bleiben wird.

Wird es für Landwirte in ärmeren Ländern jetzt leichter, ihre Produkte auf dem Weltmarkt abzusetzen?
Nein, das Ende der direkten Subventionen für Agrarexporte wird kaum Auswirkungen für die Landwirte haben. Das liegt vor allem daran, dass die Europäische Union ihre Exportsubventionen bereits vor drei Jahren nach und nach abgeschafft hat. Andere Länder wie Kanada oder Schweiz subventionieren zwar noch, aber vor allem die Exporte in die USA, die Entwicklungsländer sind also gar nicht betroffen. Es ist trotzdem ein wichtiger Schritt, weil es auch für die künftige Handelspolitik gilt. Die europäische Industrie hatte angesichts der niedrigen Preise für Milch und Fleisch in letzter Zeit gefordert, die Exportsubventionen wieder einzuführen. Das ist jetzt nach WTO-Recht nicht mehr möglich.

Auf der anderen Seite exportiert die EU weiterhin Billigfleisch in afrikanische Länder.
Es gab auch in Nairobi die Forderung der Entwicklungsländer, Schutzzölle einführen zu dürfen. Aber damit konnten sie sich nicht durchsetzen.

Haben die Entwicklungsländer ihre Position verbessern können?
Nein, die Entwicklungsländer wollten mehrheitlich auf Grundlage der bisherigen Zwischenergebnisse in der Doha-Runde weiter verhandeln. Europa und vor allem die USA haben das abgeblockt. Ein Grund sind die Subventionen für die Landwirtschaft in den USA. Der Staat zahlt den Bauern einen Ausgleich, wenn die Preise stark fallen. Diese Zahlungen sollen laut der Doha-Vereinbarungen begrenzt werden. Die USA machen da aber nicht mit und fordern deshalb einen Neustart.

Wie groß ist die Chance, dass die WTO in den kommenden Jahren zu einer Einigung kommt?
Sehr gering. Aber die WTO kann auch gar nicht mehr viele Probleme lösen, der Welthandel ist insgesamt schon sehr stark liberalisiert, die meisten Zölle wurden stark gesenkt oder abgeschafft. Das gilt für die meisten Industriegüter aus Entwicklungsländern. Eines der zentralen Probleme bleiben die Subventionen im Agrarsektor, die den freien Handel verzerren. Hier sehe ich keine Chance auf eine Einigung, egal ob mit Doha-Agenda oder ohne.

Die Idee der Doha-Agenda ist, den Welthandel weiter zu liberalisieren und gleichzeitig die ärmeren Länder zu fördern. Warum kommen die WTO Mitglieder hier seit 15 Jahren nicht weiter?
Im Verlauf der Doha-Runde haben sich die Entwicklungsländer immer besser organisiert und mehr Einfluss auf die Verhandlungen gewonnen. Für die Industriestaaten wurde es immer schwerer zu akzeptieren, dass sie nicht mehr so leicht ihre Agenda durchsetzen können wie noch vor 20 Jahren. Die Industriestaaten fordern außerdem, Schwellenländer wie China oder Indien sollten in der Doha-Runde nicht mehr wie Entwicklungsländer behandelt werden. Das ist teilweise nachvollziehbar. Im Softwarebereich ist Indien sicher kein Entwicklungsland mehr. In anderen Sektoren, gerade bei der Landwirtschaft, dagegen schon.

Früher wurde im Umfeld von WTO-Verhandlungen heftig gegen den Freihandel protestiert. Wie präsent war die Zivilgesellschaft in Nairobi?
Es gab im Vorfeld kleinere Proteste von Bauernorganisationen für bessere Bedingungen im Welthandel. Einige zivilgesellschaftliche Organisationen haben die Verhandlungen begleitet und das Freihandelsparadigma kritisiert. Aber keiner hat von Nairobi einen Durchbruch oder grundlegende Zugeständnisse erwartet, deshalb war das öffentliche Interesse relativ gering.

Tobias Reichert ist Teamleiter Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher.

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