Vor der Tagung der EU-Finanzminister am 12. Juli haben der Berliner Minister Wolfgang Schäuble und seine Pariser Kollegin Christine Lagarde den belgischen Vorsitz im EU-Ministerrat in einem Brief zu einer Diskussion über eine Finanzmarkttransaktionssteuer gedrängt. Schon vorher, zum EU-Gipfel Mitte Juni, hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in einem Brief an EU-Kommissionschef Manuel Barroso das Gleiche gefordert.
Doch der Widerstand der Lobby von Spekulanten und Kasino-Bankern ist beträchtlich. Kürzlich hat eine Studie der Lobby-Beobachter von ALTER-EU, einem europaweiten Netzwerk von nichtstaatlichen Organisationen, Gewerkschaften und Wissenschaftlern, deutlich gemacht, in welchem Ausmaß die oberen Ränge der EU-Kommission von den Interessen der Finanzdienstleister „infiltriert“ sind – in den Beratergremien „übertreffen die Experten aus der Finanzbranche zahlenmäßig sogar die europäischen Beamten, die für die Politikgestaltung in diesem Bereich verantwortlich sind“, heißt es in dem Papier.
In der G20 gibt es keine Mehrheit für die Steuer
Es brauchte deshalb einen förmlichen Brief Anfang Juni von Merkel und Sarkozy an Barroso, damit sich die Kommission für den EU-Gipfel Mitte Juni etwas mehr in Bewegung setzte. Zu diesem Zeitpunkt waren sich die EU-Regierungen längst einig: Laut Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker war schon Mitte Mai „niemand“ mehr gegen eine Finanzmarktsteuer. Die Teilnehmer des EU-Gipfels beschlossen dann auch, dass die Steuer auf spekulative Finanzgeschäfte „erforscht und entwickelt werden“ solle und das Thema beim Weltfinanzgipfel der G8/G20 in Toronto Ende Juni vorzubringen sei.
Zwar gab es dort so viel Gegenwind von den Regierungschefs Kanadas, Australiens und Brasiliens, dass die Steuer nicht in die gemeinsame Schlusserklärung geriet. Doch mittlerweile haben die meisten Europäer nüchtern durchgerechnet, dass die Einführung der Steuer in der EU keineswegs ein „gefährlicher Alleingang“ wäre: Die Bundesregierung hat in ihrer Anfang Juli vorgelegten Finanzplanung für die Zeit ab 2012 schon mal sechs Milliarden Euro Einnahmen aus einer Finanzmarktsteuer eingerechnet; Frankreich, Belgien, Österreich und andere planen vergleichbare Ansätze.
Die Steuer sei „machbar und notwendig“, heißt es in dem gemeinsamen Brief von Schäuble und Lagarde. Und aus Paris hieß es präzisierend, die Steuer werde angesichts der Krisenlage im Staatshaushalt für die Finanzierung „von öffentlichen Gütern und zugesagten Beiträgen zu Entwicklung“ gebraucht, die anders nicht aufzubringen wären. Auf ihrer Tagung Mitte Juli haben die EU-Finanzminister das Thema nun förmlich auf die Tagesordnung des nächsten Treffens Anfang September gesetzt.