Woher bekommen UN-Missionen ihr Geld?
Für Peacekeeping haben die Vereinten Nationen ein Budget von jetzt etwa 8,2 Milliarden US-Dollar im Jahr. Die Mitgliedstaaten zahlen dazu Beiträge je nach ihrer Wirtschaftskraft und die Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zahlen noch einen Aufschlag. Die Industriestaaten des Nordens bezahlen damit den größten Anteil. Truppen stellen dagegen überwiegend Staaten in Südasien und in Afrika.
Weil sie dafür Geld bekommen?
Nein. In den 1990er Jahren haben Staaten mit Peacekeeping Geld verdient und ihre Armeen finanziert, heute aber nicht mehr. Denn die Erstattung pro Blauhelm – 1028 US-Dollar im Monat – ist seit 2002 nicht erhöht worden. Die Kaufkraft der Summe ist seit 2002 im Schnitt um die Hälfte gesunken, je nach der Inflation im jeweiligen Land. Dass Länder wie Bangladesch, Indien und Ruanda weiter viele Blauhelme stellen, hat eher politische Gründe. Indien etwa, das auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hinarbeitet, sucht Einfluss in den UN. Für Ruanda geht es um Führerschaft in der Region. Das Geld ist noch für Äthiopien wichtig, das einen relativ großen Teil seines eher preiswerten Militärs in Friedenseinsätzen hat. Aber Äthiopien will auch Einfluss in seinem Umfeld nehmen, gerade in Somalia und im Südsudan.
Stellen Schwellenländer inzwischen mehr Blauhelme?
Den Trend gibt es. China ist jetzt der neuntgrößte Truppensteller. Seine Blauhelme sind in Afrika vor allem da, wo China Energie-Interessen hat wie im Südsudan. Brasilien hat den letzten Einsatz in Haiti praktisch alleine geschultert.
Die UN müssen für jeden Einsatz neu um Truppen bitten, oder?
Ja, und über Geld diskutieren. Der UN-Sicherheitsrat entscheidet, ob es eine Mission gibt, welches Mandat sie bekommt und wie groß sie ist. Aber das Budget wird von der UN-Generalversammlung diskutiert und entschieden. Darauf legen Staaten wie Indien, Brasilien und Südafrika Wert, die keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben und ihre Sicht äußern wollen. Auch deshalb haben Blauhelm-Einsätze einen Vorlauf von mindestens einem halben Jahr. Die AU kann, falls die Europäer oder die UN logistisch helfen, viel schneller reagieren. Das ist ein Grund für die Abfolge wie in Mali und der Zentralafrikanischen Republik: Einer Intervention der Franzosen folgte eine Mission der AU und die wurde dann an die UN übergeben. Das heißt die afrikanischen Soldaten haben den grünen AU-Helm abgesetzt und den blauen der UN aufgesetzt.
Führt die Art der Rekrutierung oft zu ungeeigneten Truppen, gerade in Afrika?
Einige Länder schicken mangelhaft ausgebildete und ausgerüstete Truppen. Auf Sprengfallen, wie Terrorgruppen sie legen, sind die völlig unvorbereitet. Ein Problem ist, dass die Regeln der UN den falschen Anreiz setzen, das schlechteste Material mitzubringen, das gerade noch erlaubt ist: Die Mindestanforderungen sind niedrig und die Bezahlung wird nicht höher, wenn man etwas Besseres mitbringt. Es lohnt also, wenn man einen neuen Geländewagen kauft und den alten in den UN-Einsatz schickt, wo man noch Geld dafür bekommt. Er darf dann aber nicht kaputt gehen. Wenn Sie zum Beispiel in Mali hundert Kilometer gefahren sind, geht ein Fahrzeug drei Tage nicht, bis Sie den Staub aus allen Filtern haben. Kommt die UN-Inspektion in dem Moment und stellt fest, dass es nicht funktioniert, dann bekommen Sie einen Monat kein Geld dafür. Deshalb fährt drei Tage vor einer angekündigten Inspektion niemand mehr irgendwo hin.
In den Missionen arbeiten meist vorwiegend Militärs. Ist es noch schwieriger, Zivilisten zu finden?
Schon, denn die muss man einzeln einstellen – Militärs und Polizisten werden von Mitgliedsstaaten abgeordnet. Aber das ist nicht der Grund für das Übergewicht der Militärs. Das liegt an den Aufgaben der Missionen, da steht Sicherheit im Zentrum.
Sollten Industrieländer mehr Soldaten stellen, statt sich aufs Bezahlen zu beschränken?
Sie sollten vor allem Spezialisten schicken – Klasse statt Masse. Die UN brauchen keine deutschen Bataillone, bitten aber seit Jahren um Pioniere, Logistiker, Aufklärung, Feldlazarette und immer wieder Helikopter. Nur damit kann man sich zum Beispiel im Südsudan in der Regenzeit fortbewegen. Wenn die Truppensteller Hubschrauber mitbringen, wird das aber relativ niedrig bezahlt. Die Alternative ist heute, dass die UN sie mieten. Die Anbieter sind oft russische oder ukrainische Firmen, weil in den beiden Ländern Privatfirmen das Material der Armee nutzen dürfen. Und diese Firmen lassen sich von den UN sehr gut bezahlen.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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