Am 11. Juli wurden in der ugandischen Hauptstadt Kampala bei zwei Bombenanschlägen mehr als 70 Menschen getötet. Wenige Stunden zuvor und knapp 2000 Kilometer nordöstlich hatte das Oberste Gericht von Somaliland in der Hauptstadt Hargeisa die Wahl des Oppositionsführers Ahmed Mohamed Silanyo zum neuen Präsidenten des Landes bestätigt. Die beiden Ereignisse haben viel miteinander zu tun: Die Anschläge in Uganda haben Attentäter der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab aus Somalia verübt, weil Uganda gut die Hälfte der Friedentruppe stellt, die Somalias Übergangsregierung stützt. Die Opfer von Kampala stehen deshalb auch für das Scheitern des Westens und Afrikas bei der Befriedung Somalias. Der Machtwechsel in Somaliland hingegen ist der Erfolg einer alternativen Politik, die in diesem nordwestlichen Teil von Somalia, der sich vom Rest des Landes abgespalten hat, ein beachtliches Maß an Sicherheit und Stabilität gebracht hat. Leider hat die internationale Gemeinschaft daraus bislang keine Lehren gezogen.
Somaliland erklärte sich 1991 für unabhängig, nachdem der somalische Diktator Siad Barre gestürzt worden war. Während der südliche Landesteil mit der Hauptstadt Mogadischu im Chaos versank, rauften sich in Hargeisa die politischen Eliten, einflussreiche Gruppen aus Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Führer der wichtigsten Clans zusammen und schufen rudimentäre staatliche Strukturen. Seit 2002 fanden in Somaliland Distrikt- und Parlamentswahlen sowie zwei Mal Präsidentschaftswahlen statt – weitgehend friedlich und fair. Gemessen an den politischen Zuständen in anderen Ländern der Region – einschließlich Äthiopien und Kenia – bezeichnen Fachleute den friedlichen Machtwechsel im Juli als beachtliche Leistung. Somaliland ist damit ein Beispiel für erfolgreichen Staatsaufbau „von unten“, der auf den Ausgleich unterschiedlicher politischer Interessen setzt und lokale Herrschaftsstrukturen mit demokratischen Verfahren verknüpft.
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Ganz anders in Somalia. Seit 19 Jahren versucht die internationale Gemeinschaft, Regierungen in Mogadischu zu installieren, um die Anarchie zu beenden; ein gutes Dutzend dieser Versuche sind schon gescheitert. Dabei gab es auch in Somalia Ansätze einer erfolgreichen Befriedung aus dem Land selbst: Vor vier Jahren brachten die Milizen der „Union Islamischer Gerichte“ (ICU) Mogadischu unter ihre Kontrolle und bescherten der Stadt das erste Mal seit 15 Jahren relative Ruhe. Landeskenner urteilten damals, eine Zusammenarbeit mit den moderaten Kräften in der ICU hätte Somalia eine echte Perspektive auf längerfristigen Frieden bringen können – zumal die Union breiten Rückhalt in der Bevölkerung hatte. Stattdessen marschierte Äthiopien mit US-amerikanischer Hilfe in Somalia ein und vertrieb die islamischen Milizen und ihre Führer. Gestärkt hat das nur die radikalen Kräfte, die man eigentlich loswerden wollte und die jetzt als Al-Shabaab die somalische Bevölkerung terrorisieren. Die Europäische Union (EU) spielt das Spiel mit und bildet mit deutscher Beteiligung Soldaten der gegenwärtigen somalischen „Übergangsregierung“ aus. Deren Chef Sharif Sheikh Ahmed war vor vier Jahren noch Anführer der gemäßigten Fraktion der ICU, mit dem man damals nicht einmal reden wollte.
Auswärtige Kräfte haben mit ihrer Einmischung in Somalia bislang mehr Schaden angerichtet als Gutes bewirkt. In Somaliland hingegen spielen sie eine stabilisierende Rolle. So hat die EU im vergangenen Jahr laut dem Landeskenner Mark Bradbury heilsamen Druck auf die Regierung in Hargeisa ausgeübt, als der damalige Präsident Dahir Rayale Kahin die Wahlen mehrfach verschoben hatte und sich abzeichnete, dass er die Macht nicht mehr ohne weiteres abgeben würde. Ohne den Druck aus Europa, so Bradbury, wäre der Regierungswechsel möglicherweise nicht so friedlich verlaufen. Äthiopien wiederum fördert seit langem die wirtschaftliche Entwicklung in Somaliland.
Das mutet paradox an, ist es aber nicht. Sowohl in Somalia als auch in Somaliland folgen der Westen und Äthiopien dem Interesse, radikale politische und religiöse Kräfte zurückzudrängen. Leider haben sie für ihre Somalia-Politik bislang nicht aus den Erfahrungen in Somaliland gelernt, dass eine stabile Regierung nicht „von oben“ installiert werden kann, sondern Rückhalt aus Politik und Gesellschaft braucht. Wenn sich das nicht ändert, dann steht zu befürchten, dass nach Kampala in Zukunft auch in anderen Hauptstädten der Region Bomben explodieren.