In Kuba herrscht Tauwetter. Das Reiseverbot ist gelockert, in ausgewählten Sektoren hält die Privatwirtschaft Einzug, und im April schüttelte Präsident Raúl Castro sogar seinem Amtskollegen Barack Obama die Hand. Seither machen hochrangige Politiker aus aller Welt Havanna die Aufwartung. Auf der autoritär regierten Karibik-Insel löst sich offenbar an vielen Stellen die politische Verkrustung.
Was das für die Zivilgesellschaft im Land und insbesondere für die Kirchen bedeutet, ist noch nicht klar. „Die kommunistische Partei zeigt nach wie vor wenig Neigung, ihren Führungsanspruch aufzugeben“, sagt Christoph Anders, Lateinamerika- und Karibik-Referent sowie Direktor des Evangelischen Missionswerks Deutschland. Die Staatsführung wisse sehr genau, wie viele Fäden sie aus der Hand geben kann, ohne die Kontrolle zu verlieren.
Für eine eventuelle Öffnung zur Zivilgesellschaft sind die Kirchen in Kuba unterschiedlich gut aufgestellt. Die römisch-katholische Kirche, die unter den Christen in Kuba die Mehrheit vertritt, fährt dem Regime gegenüber seit langem eine kluge Politik, sagt Anders: „Sie kritisiert seit Jahrzehnten gesellschaftliche Missstände, unterstützt aber gleichzeitig Reformen der Staatsführung. Außerdem lässt sie sich nicht einbinden in die radikalen Diskurse von Exil-Kubanern.“
Papst-Besuch dürfte neue Freiräume bringen
Trotz ihres oppositionellen Habitus sei sie zu einem institutionell und politisch berechenbaren Gegenüber für die kubanische Führung geworden. Vieles spreche beispielsweise dafür, dass die Annäherung zwischen den USA und Kuba ohne die Vermittlung des Vatikans nicht zustande gekommen wären. In der Folge des Papstbesuches im September würden sich für die katholische Kirche wohl neue Freiräume ergeben, vermutet Anders. Dass sie diese dann ökumenisch mit anderen Kirchen teile, sei aber nicht zu erwarten. „Auf katholischer Seite herrscht noch immer ein Alleinvertretungsanspruch.“
Der Protestantismus spielt in Kuba dagegen keine große Rolle. Den traditionellen protestantischen Weg, eine Gesellschaft durch Bildung zu transformieren und folglich Schulen zu gründen, hat das Regime in Havanna von Anfang an blockiert und wird das aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Zukunft tun. „Handlungsoptionen werden sich für die protestantischen Kirchen allenfalls im diakonischen Bereich auftun, wenn die Regierung einsieht, dass sie zur Linderung der großen Not vieler Menschen Partner wie die Kirchen braucht“, sagt Anders. Kirchlichen Partnern im Ausland rät Anders indes zur Vorsicht: Jede Unterstützung aus dem Ausland, gerade wenn sie selbstbewusst auftrete, könne von der kubanischen Regierung als konterrevolutionäres Einfalltor verstanden und sofort unterbunden werden.
Die Kirchen und Hilfswerke in Deutschland brauchen deshalb nach wie vor viel diplomatisches Geschick, wenn sie Beziehungen nach Kuba aufbauen wollen. „Die wenigen Gemeindepartnerschaften, die es bereits gibt, müssen gestärkt und ökumenisch ausgeweitet werden“, empfiehlt Anders. Es gehe jedoch nicht nur um finanzielle Unterstützung, vielmehr müsse die Begegnung von Menschen gefördert werden. Sollten die Kirchen in Kuba mehr Möglichkeiten bekommen, sich diakonisch zu engagieren, dann müsse auch über einen Personalaustausch nachgedacht werden. Die benötigten Fachleute müssten nicht unbedingt aus Deutschland kommen, denkbar wäre auch ein Süd-Süd-Austausch. „Doch auch da werden die Kirchen weiterhin auf die staatliche Zustimmung angewiesen sein“, sagt Anders.
Mehr zum Thema: „Aufbruch in Kuba“, EMW-Dossier 4/Juli 2015
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