Das europäische Handelssystem für Emissionserlaubnisse (Emissions Trading System, ETS) soll für Stromerzeuger und große Industriebetriebe Anreize schaffen, Treibhausgase einzusparen: Wer viel emittiert, muss Zertifikate zukaufen. Doch nach dem bisherigen Verfahren geben die EU-Staaten Zertifikate im Übermaß aus; bis 2020 wird sich ein Überschuss von zwei Millionen Tonnen angehäuft haben.
Wegen dieses Überangebotes ist der Preis im vergangenen Jahr unter fünf Euro für eine Tonne Kohlendioxid-Äquivalent gesunken – zu wenig, um saubere Technik rentabler zu machen. Die EU-Gremien haben deshalb drei Jahre darum gerungen, wie viele Zertifikate man wann vom Markt nehmen soll.
Anfang Juli hatte das EU-Parlament den mit den Ministern und der Kommission ausgehandelten Kompromiss gebilligt. Danach werden 900 Millionen Zertifikate ab 2019 sowie weitere Überschuss-Zertifikate ab 2021 in eine "Marktreserve" weggeschlossen. Das Parlament wollte den Beginn 2017, die Kommission auf Druck der Kohlelobby, gerade auch der deutschen, erst 2021. Nur wenn der Handelspreis auf mindestens 25 Euro je Tonne steigt, sollen Zertifikate aus der Reserve freigegeben werden. Der Ministerrat will den Beschluss am 18. September absegnen.
Die Kommission will großzügig zuteilen
Doch die Kommission hat Mitte Juli eine "Überprüfung" des ETS vorgelegt und dabei Änderungen für die Zeit ab 2020 vorgeschlagen, mit denen die Begrenzung wieder untergraben wird. So sollen von vornherein gut 40 Prozent der Gesamtmenge von Emissionserlaubnissen nicht (wie für Stromkonzerne) versteigert, sondern gratis zugeteilt werden: an energieintensive Unternehmen, die drohen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, wo Emissionen kostenlos sind.
Hersteller von Stahl, Aluminium, Chemie, Papier, Dünger, Kalk und Glas würden dann auch nach 2020 bis zur "nach bester Technik nötigen" Menge Zertifikate umsonst bekommen. Was sie davon nicht verbrauchen, können sie verkaufen. So konnte der Stahlkonzern Mittal für seine EU-Tochter ARCELOR im Geschäftsjahr 2013/14 über eine Milliarde Euro aus dem Verkauf ungenutzter Zertifikate kassieren.
Weiter sollen laut der Kommission zwischen 2020 und 2030 aus der Marktreserve 250 Millionen Zertifikate in einen "Fonds für Innovationen" verschoben werden, mit dessen Hilfe beispielsweise polnische Kohlekraftwerke modernisiert werden könnten. Auch diese Zertifikate sind dann handelbar. Zudem sieht die Kommission 300 Millionen Zertifikate für Unternehmen vor, die möglicherweise künftig neu vom ETS erfasst werden. Das alles wird das Angebot erhöhen und den Preis drücken.
25 Euro pro Tonne sind sehr optimistisch
Die Kommission geht davon aus, dass im Zeitraum von 2021 bis 2030 insgesamt 15,5 Milliarden Zertifikate zu einem Gesamtwert von 387,5 Milliarden EUR ausgegeben werden. Sie hofft somit auf ein durchschnittliches Preisniveau um 25 Euro pro Tonne aus den Versteigerungen. Ein Drittel der Einnahmen sollen laut der Kommission für Klimafinanzierung auswärts verwendet werden, zum Beispiel für den Beitrag zum UN-Klimafonds. Dafür haben die Industrieländer 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 zugesagt, die EU müsste davon etwa ein Fünftel aufbringen.
Die Einnahmen aus dem ETS werden das jedoch nicht abdecken können. Zum einen finden Experten die veranschlagten 25 Euro pro Tonne zu optimistisch; ein Anstieg des Handelspreises von derzeit 7,5 Euro auf 14 bis 16 Euro ab 2020 sei eher realistisch. Zum anderen werden dank der Gratisvergabe an die Industrie, auf der gerade die deutsche Regierung besteht, höchsten 57 Prozent der Zertifikate tatsächlich versteigert. Selbst wenn sie bei der Ausgabe pro Tonne 25 Euro einbringen, kämen damit 2020 bis 2030 vielleicht 22 Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Dieses Geld fließt in die Finanzkassen der EU-Mitgliedsländer. Auch wenn die sich an die Empfehlung der EU-Kommission halten, ein Drittel dieser Einnahmen aus ETS-Auktionen für die Klimafinanzierung der übrigen Welt abzugeben, wären die Verpflichtungen gegenüber dem UN-Klimafonds daraus bei weitem nicht zu erfüllen.
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