Interreligiöse Zusammenarbeit ohne Alternative

Für einen erfolgreichen Kampf gegen Klimawandel und Armut in Entwicklungsländern ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Religionen nötig. Darin waren sich Vertreter von Christentum und Islam bei einer Podiumsdiskussion auf dem Ökumenischen Kirchentag in München einig. Zugleich warnten sie jedoch vor den Fallgruben, die sich bei interreligiösen Kooperationen auftun können.

Bedürftigen müsse ohne Ansehen von Religion, Hautfarbe und Geschlecht geholfen werden, betonten der Direktor der Mission EineWelt der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern, Peter Weigand, und der Direktor der muslimischen Hilfsorganisation Islamic Relief, Tarek Abdelalem. Der interreligiöse Dialog mit Partnern vor Ort sei notwendig, um erfolgreich arbeiten zu können. Die besten Chancen dafür sahen sie in den lokalen Gemeinden, auf „offizieller Ebene“ bestünden dagegen aufgrund der theologischen Unterschiede größere Hindernisse.  

Vor allem in der Katastrophenhilfe funktioniere die Kooperation zwischen den Religionen „hervorragend“, sagte Weigand. Schwieriger werde es, wenn christlichen Organisationen bei der Entwicklungszusammenarbeit in einem islamischen Umfeld „gewisse Interessen“ unterstellt würden, etwa wenn an einem Ort, der bereits über eine muslimische Schule verfüge, zusätzlich eine christliche gebaut werden solle. Auch Abdelalem warnte vor Missionierungsversuchen. „Wir dürfen kein Wasser als Belohnung für das Bekenntnis zu einer Religion verteilen.“ Das führe zu Misstrauen gegenüber allen humanitären Hilfsorganisationen. Beide räumten ein, dass es sowohl von muslimischer als auch von evangelischer Seite Kritik an interreligiösen Kooperationen gebe. Weigand sagte, Widerstände innerhalb christlicher Kirchen beruhten vor allem auf einem traditionellen Verständnis von Mission als Bekehrung, das ein Gespräch auf Augenhöhe nicht zulasse.

Hans Ucko von der Organisation Religions for Peace unterstrich ebenfalls die zunehmende Bedeutung der Religionen bei der Durchsetzung von Menschenrechten, Frieden und Gerechtigkeit. Interreligiöse Zusammenarbeit sei jedoch keine „schnelle Lösung“. Die Beziehungen müssten langsam aufgebaut werden, etwa um zu verhindern, dass Religion in einem Konflikt zur treibenden Kraft werde.

Mission, Kolonialisierung und Antisemitismus berücksichtigen

Ucko verwies auf zahlreiche „Fallgruben“. In jedem Dialog gebe es „unsichtbare Teilnehmer“, deren Anwesenheit berücksichtigt werden müsse. Dazu zählten Mission, Kolonialisierung und Antisemitismus, die das kollektive Gedächtnis belasteten, sowie persönliche schlechte Erfahrungen. In vielen Entwicklungsländern seien gesellschaftlich engagierte Organisationen religiös, gab Johannes Müller vom Münchner Institut für Gesellschaftspolitik zu bedenken. Wer etwa in Indonesien etwas bewegen wolle, könne dies nur mit Unterstützung der Muslime tun. Als eine wesentliche Hürde für die interreligiöse Zusammenarbeit nannte er die fehlenden Kenntnisse der Religionsgemeinschaften über die jeweils andere Glaubensrichtung. Die Fähigkeit zum Dialog mit anderen Religionen hänge stark von der Dialogbereitschaft innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft ab. Auch im Norden gebe es „große Vorbehalte“. Dennoch ist sich Müller sicher: „Zur Zusammenarbeit der Religionen gibt es keine Alternative.“ Umso bedauerlicher, dass bei der Diskussion das Christentum mit drei Vertretern überrepräsentiert war; die Ansichten zumindest von Hindus und Buddhisten wären interessant gewesen. (gwo)

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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