Laut einer „Mitteilung“ der EU-Kommission, die Leitlinien für Beschlüsse des Ministerrats und des Parlaments formuliert, soll die Landwirtschaft in Entwicklungsländern stärker als bisher unterstützt werden, einschließlich Forschung und (Aus-)Bildung. Humanitäre Nothilfe soll möglichst nicht mehr aus EU-Überschüssen kommen, sondern aus regionalen Quellen. Für den häufigen Fall, dass Lebensmittel vor Ort zu kaufen sind, jedoch von Betroffenen nicht bezahlt werden können, seien Gutscheine oder finanzielle Unterstützung von lokalen Organisationen das geeignete Hilfsmittel.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist der Anteil der Landwirtschaft an der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) der EU von 17 Prozent auf 5 Prozent gesunken; nichtstaatliche Organisationen fordern mindestens 10 Prozent, Experten der Kommission halten sogar 20 Prozent für angemessen. Allerdings gibt es in dieser Frage deutliche Gegensätze sowohl in der Kommission als auch zwischen ihr und dem Ministerrat. Denn hoch im Kurs bei EU-Entwicklungspolitikern stehen zum Beispiel auch große Infrastrukturprojekte wie Fernstraßen, Elektrizitätsnetze und Datenleitungen.
Nichtstaatliche Organisationen begrüßen, dass die Kommission in ihrer Mitteilung zur Ernährungssicherheit auch die Frage der Landrechte aufgreift. Brüssel will mit der Afrikanischen Union über das Problem der Landnahmen durch große Investoren sprechen. Sie bleibt aber nach Ansicht der kirchennahen Netzwerke APRODEV und CIDSE zu unbestimmt in der Frage, wie es die EU selbst bei Großprojekten wie dem Bau von Staudämmen oder der Vergabe großer Flächen an auswärtige Investoren hält. Laut der Hilfsorganisation ActionAid haben europäische Firmen inzwischen fünf Millionen Hektar in Entwicklungsländern unter Vertrag genommen. Die NGO-Netzwerke fordern deshalb, dass die EU bei Investitionen aus Europa die Einhaltung sozialer und traditioneller Rechte überwacht.
Wie hält die EU es mit Großprojekten aus Europa?
Noch ungenauer bleibt die Kommission nach Ansicht von CIDSE und APRODEV in ihrer Mitteilung zum Agarhandel. Immerhin werden in einem begleitenden Papier die zerstörerischen Folgen der Vermarktung von EU-Überschüssen für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern angesprochen. Die Kommission befürwortet vorsichtig, Partnerländer dabei zu unterstützen, ausgleichende Maßnahmen gegen Marktexzesse vorzunehmen – wenn auch lediglich „im Rahmen der WTO-Regeln“, was beispielsweise Importbeschränkungen ausschließt
Prinzipiell sei eine „ökologisch effiziente und intensivierte kleinbäuerliche Landwirtschaft“ zu unterstützen und als Grundlage der Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern anzustreben, sagte EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs auf einer Pressekonferenz Ende April. Und, fuhr Piebalgs überraschend fort, eine auf ökologischen Raubbau gegründete EU-Überschussproduktion sei auch für Europa schädlich.
Damit greift Piebalgs in die schon jetzt heftige Diskussion um die Neuordnung der EU-Agrarpolitik ab 2013 ein. Agrarreformer in der EU-Kommission und in den Regierungen von EU-Schlüsselstaaten in diesem Bereich wie Frankreich, Großbritannien und Polen finden sich inzwischen auf einer Linie. Sie wollen die Exportförderung abschaffen und die allgemeinen Subventionen von Mengen und Preisen vollständig lösen und auf direkte und indirekte Zahlungen an Land- und Forstwirte beispielsweise für Umweltziele umstellen – vorausgesetzt, der gegenwärtige Gesamtbetrag bleibt erhalten.