Die großen EU-Länder halten ihre Zahlungszusagen nicht ein: Gemessen am Ziel, dieses Jahr 0,56 Prozent des BIP für Entwicklungshilfe bereitzustellen, weist Italien einen Rückstand von 4,9 Milliarden Euro auf, in Deutschland fehlen 2,7 Milliarden und in Frankreich 859 Millionen Euro. Diese und weitere kleinere Fehlsummen drücken die EU-Quote aktuell auf 0,46 Prozent.
Die EU-Kommission wolle nicht versuchen, die EU-Regierungen „gesetzlich“ zu zwingen, ihre Zusagen einzuhalten, sagte das für Entwicklungspolitik zuständige Kommissionsmitglied Andris Piebalgs. Stattdessen solle eine Art Peer Review eingeführt werden, also ein Verfahren, mit dem sich die EU-Länder gegenseitig prüfen, um im Ministerrat politischen Druck aufzubauen und die Einhaltung von Zusagen zu erreichen, erklärte Piebalgs im April bei der Vorlage der EU-Marschroute zur MDG-Zwischenbilanz im September. Einige EU-Mitglieder wie Großbritannien, die Benelux-Staaten und skandinavische Länder haben den EU-Fahrplan zur Steigerung der Entwicklungshilfe bereits gesetzlich verankert.
Unterdessen hat die EU-Kommission zu drei Millenniumszielen, bei denen besonders großer Nachholbedarf bestehe, eigene „Mitteilungen“ vorgelegt – Leitlinien für die Beschlüsse von EU-Ministerrat und Parlament. Die EU will sich beispielsweise in ihrer Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern künftig unter anderem auf die Bekämpfung der Kinder- und Müttersterblichkeit konzentrieren.
Europäische Firmen sollen ihre Einnahmen offenlegen
Zudem will sie die Fähigkeit der Empfänger von Entwicklungshilfe fördern, eigene Finanzmittel zu mobilisieren. Dazu werden in einer „Mitteilung“ zum Problem der Steuersysteme sogar heiße Eisen angefasst: Moniert wird beispielsweise, dass Bergbauunternehmen vielerorts überhaupt nicht besteuert werden oder international tätige Firmen tricksen und dadurch beim Handel zwischen Firmenniederlassungen Steuern vermeiden. Die Kommission will erreichen, dass die in der EU ansässigen Rohstoffkonzerne der OECD-Forderung nachkommen, über ihre Einnahmen aus Entwicklungsländern gesondert zu berichten.
Weitere Mitteilungen zu einzelnen der zwölf Punkte des MDG-Fahrplans sollen rechtzeitig zur Juni-Tagung der EU-Regierungschefs folgen, darunter auch Vorlagen zur besseren Abstimmung von Entwicklungsvorhaben der EU einerseits und einzelnen Mitgliedsländern andererseits. Eine verbesserte Wirksamkeit könne zwischen drei und sechs Milliarden Euro jährlich freimachen.
Kein Konsens – weder innerhalb der Kommission noch zwischen den EU-Ländern – besteht über die Art und die Verwendung „neuartiger“ Finanzquellen. Berlin bevorzugt eine mögliche „Bankenabgabe“ gegenüber einer Finanztransaktionsteuer. Über eine solche Steuer wollen einige EU-Regierungen dem Vernehmen nach beim EU-Gipfel zumindest am Rande sprechen. Piebalgs blieb in dieser Frage vage, forderte aber die Zweckbindung „zusätzlicher“ Einnahmen für die Millenniumsziele und zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels in den Entwicklungsländern. Haushälter in der EU und in Berlin halten jedoch das Stopfen von Finanzlöchern infolge der Bankenkrise für vordringlich.
Die europäischen Netzwerke nichtstaatlicher Organisationen begrüßten Piebalgs Vorhaben zwar allgemein und lobten, dass er die Zügel bei den säumigen Gebern anziehen will. Zugleich gibt es Skepsis, was Piebalgs tatsächlich erreichen wird. Viele der zwölf Punkte seien nur vage formuliert, kritisiert der NRO-Dachverband Concord Europe, und das katholische Netzwerk CIDSE hält gerade den Verzicht auf eine Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten auf das 0,7-Prozent-Ziel für den gröbsten Fehler.