Auch die Geber sollten ihr Weltbild hinterfragen

Mit der Kenntnis kultureller Normen und Werte in Entwicklungsländern ist es in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht zum Besten bestellt. Das wurde bei einem Symposium zum Thema „Kultur und globale Entwicklung“ deutlich, das Mitte Mai in Bonn stattfand. Im Umgang mit Kunst gibt es zudem zwischen Kultur- und Entwicklungsexperten so manchen Reibungspunkt.

Die stellvertretende Leiterin des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik, Imme Scholz, betonte, Interventionen von außen müssten an die kulturellen Muster einer Gesellschaft angepasst werden. Für eine kulturell sensible Entwicklungspolitik müssten deshalb auch die Geber ihre Wertvorstellungen und ihr Weltbild ständig hinterfragen. Daran mangelt es jedoch offenbar, wie Christiane Bögemann-Hagedorn vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) deutlich machte. Sie räumte selbstkritisch „erheblichen Handlungsbedarf“ im Blick auf soziokulturelles Hintergrundwissen ein.

Dies gelte für die politische Ebene und für die Planung, Verwirklichung und Evaluierung von Programmen ebenso wie für die Entsendung von Entwicklungshelfern und Beratern. „Die Relevanz soziokultureller Faktoren droht in Vergessenheit zu geraten“, erklärte die Leiterin der BMZ-Unterabteilung „Zivilgesellschaft und Wirtschaft“ vor den rund 100 Teilnehmern des Symposiums, zu dem der Deutsche Entwicklungsdienst (DED), InWent und das Institut für Auslandsbeziehungen eingeladen hatten.

Kultur nicht zum Büttel der Wirtschaft machen

Dort wurden die unterschiedlichen Auffassungen von Kultur- und Entwicklungsexperten über den Umgang mit Musik, Theater und bildender Kunst in der Entwicklungszusammenarbeit deutlich. Der Trierer Ethnologe Michael Schönhuth stellte die Unterschiede heraus: Die Entwicklungszusammenarbeit habe die Bekämpfung von Armut zum Ziel und sehe kulturelle Initiativen deshalb immer als „Mittel zum Zweck“. Künstler hingegen bestünden darauf, dass sich Kreativität frei von Zwängen und Vorgaben entfalten müsse und sich nicht zum „Büttel der Wirtschaft“ machen lassen dürfe. Die jeweiligen Stärken ließen sich am besten in der praktischen Arbeit gemeinsam nutzen, besonders in der Bildung, sagte Schönhuth.

Wie das gelingen kann, zeigen das Goethe-Institut und der DED in Afghanistan. Sie bilden dort zurzeit gemeinsam Theaterpädagogen für Schulen aus. DED-Beraterin Rita Stockhowe verweist auf die regionalen Wurzeln dieser Kulturform: „Theater hat in Afghanistan eine jahrhundertealte Tradition. Während der Taliban-Herrschaft war sie unterdrückt, aber das Gefühl dafür ist noch da.“ Über die Sprachgrenzen hinweg ließen sich mit Theater brisante Themen aufgreifen und Aufklärung betreiben. Und nebenbei verschafft die Initiative den angehenden Theaterpädagogen ein Einkommen. Für ihre Teilnahme an dem Seminar bekommen sie ein kleines Gehalt.

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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