Riskante Partnerschaft

Als das Bundeswirtschaftsministerium vor einigen Jahren im Rahmen seiner Exportinitiative Erneuerbare Energien einige Unternehmerreisen in afrikanische Länder veranstalten wollte, bat es – mangels eigenen Kontakten auf dem Kontinent – die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn um organisatorische Hilfe. Die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul war skeptisch und äußerte Vorbehalte: Die Entwicklungspolitik dürfe den Interessen der Wirtschaft nicht zu nahe rücken; das schade ihrer Rolle als neutrale Maklerin. Nach einigen Verhandlungen verständigte man sich am Ende zunächst auf ein Pilotvorhaben, eine Reise nach Senegal.

Frau Wieczorek-Zeuls Nachfolger Dirk Niebel hat weniger Berührungsängste – im Gegenteil. Der FDP-Mann will die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen stark ausweiten. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden: Dass eine Bundesagentur wie die GTZ den Wirtschaftsminister und Firmenchefs berät, mit wem sie in Afrika sprechen sollten, ist legitim und muss entwicklungspolitisch nicht schädlich sein, so lange sie den Regierungen dort nicht deutsche Produkte aufschwatzt. Solche Hilfe wirkt wie das oft beschworene Geländer, das die Entwicklungspolitik der Wirtschaft auf schwierigem Terrain bieten kann; mit dieser Funktion haben auch viele Entwicklungspolitiker keine Probleme.

Unangebracht sind indes Hoffnungen, wie sie Niebel bei jeder sich bietenden Gelegenheit äußert, die Öffnung zur deutschen Wirtschaft werde der Entwicklungspolitik deutlichen Schub verleihen. Die bisherigen Erfahrungen etwa mit öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) in der Entwicklungszusammenarbeit widersprechen solchen Erwartungen. Die bisher einzige Evaluation des vom Entwicklungsministerium (BMZ) 1999 aufgelegten PPP-Programms kam vor sieben Jahren zum Ergebnis, dass gemeinsame Vorhaben mit der Wirtschaft keinen nennenswerten Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt in den Projektländern leisten.

Seither ist das Programm zwar überarbeitet, aber nicht noch einmal offiziell untersucht worden. Manche unken, das liege auch daran, dass weder das BMZ noch die beteiligten Unternehmen wirklich wissen wollten, wie die PPPs wirken: Beide Seiten betrachteten die Partnerschaft vor allem als Marketinginstrument. Neuere inoffizielle Gutachten zu deutschen PPP-Projekten und Evaluationen anderer Länder, etwa Österreichs, zeigen aber, dass beteiligte Unternehmen in ihrem entwicklungspolitischen Eifer häufig stark nachlassen, sobald das eigentliche Projekt beendet ist und sie wieder vorrangig ihren kommerziellen Interessen folgen können.

Darin liegt das Risiko von Niebels Kurs. Ginge es nach dem Wirtschaftsministerium, dann diente die Entwicklungspolitik deutschen Unternehmen nicht nur als Geländer, sondern regelrecht als Förderband in andere Länder; über entwicklungspolitische Wirkungen macht man sich dort keine Gedanken. Deutlich wurde das beispielsweise, als sich vor drei Jahren Wirtschaftsminister Michael Glos von einer Hamburger Beratungsfirma eine umfangreiche Studie erarbeiten ließ, wie die Instrumente der Entwicklungspolitik besser zur Förderung der deutschen Wirtschaft genutzt werden könnten. Das BMZ empfand das damals laut Beteiligten als „Übergriff“; hinter den Kulissen habe es mächtig Streit zwischen beiden Häusern gegeben. Ob Niebel ebenso empfindlich reagieren würde, wenn sein Parteifreund Rainer Brüderle die Entwicklungspolitik für eigene Zwecke instrumentalisieren wollte?

Die Gefahr, dass ein entwicklungspolitisch motiviertes und durchaus sinnvolles Zusammengehen mit der Wirtschaft zu einem Förderprogramm für deutsche Firmen verkommt, wächst zusätzlich in dem Maße, in dem die größte staatliche Entwicklungsagentur sich selbst als Unternehmen sieht, das sich am „Markt“ behaupten muss. Die Bedenken von Heidemarie Wieczorek-Zeul gegen eine Zusammenarbeit von GTZ und Wirtschaftsministerium waren ja nicht bloßer Ideologie geschuldet: Heute sind die Eschborner Entwicklungshelfer fester Bestandteil der Exportinitiative Erneuerbare Energien. Sie geben dem Wirtschaftsministerium längst nicht mehr nur bei Kontakten Tipps, sondern entwickeln für Unternehmen gleich ganze Projekte. Auf die von Niebel praktizierte Offenheit gegenüber der Wirtschaft hat die GTZ lange gewartet – lockt doch so manches zahlungskräftige Unternehmen mit einem lukrativen Auftrag für ihren privatwirtschaftlichen Arm.

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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