Briefkästen in Kabul

Die afghanische Regierung hat unlängst 172 nationalen und ausländischen Hilfsorganisationen die Arbeitserlaubnis entzogen. Ist das schlimm? Nein. Es macht keinen großen Unterschied, ob nun 1500 oder nur noch 1300 Organisationen am Hindukusch um Hilfsgelder konkurrieren – umgangssprachlich Wiederaufbau genannt. Und braucht man wirklich Vereine mit Namen wie „Samaritan’s Purse“ oder „Hope and Care for All“? Bei etlichen hat es sich offenkundig ohnehin um Briefkastenfirmen gehandelt: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“, klang es einem Reporter entgegen, der sich bei den 20 betroffenen ausländischen Organisationen erkundigen wollte.

Die Organisationen haben es versäumt, die halbjährlich fälligen Rechenschaftsberichte abzuliefern, begründet die Regierung ihre Maßnahme. Respekt, möchte man meinen, endlich greifen die mal durch. Andererseits: Seit wann ist in Afghanistan irgendjemand irgendwem für irgendetwas rechenschaftspflichtig? Gilt das neuerdings auch für Präsident Karzai und sein 28-köpfiges Kabinett? Testanruf beim Minister für Drogenbekämpfung: „Sorry, es ist gerade Mohnernte. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“ Auch beim Innenminister läuft nur das Band: „Ich bin dienstlich unterwegs. In einigen Provinzen ist der Posten des Polizeichefs vakant und muss neu an den Höchstbietenden versteigert werden.“ Und der Pressesprecher des Präsidenten ist auf einer Fortbildung zum Thema „Unglaubliche Wahlergebnisse glaubhaft machen.“

 „Es gibt so viele Leute an diesen Stellen, aber sie arbeiten einfach nichts“, jammerte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums – und meinte damit die NGOs. Der Mann sollte vorsichtiger sein: Das könnte im Präsidentenpalast missverstanden werden.

erschienen in Ausgabe 6 / 2010: Vom klein sein und groß werden
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