Kommentar
Entwicklungshilfe: Ein neuer Maßstab?
Deutschlands staatliche Entwicklungsleistungen (ODA) steigen nicht, sie sinken. Gerade einmal einen Anteil von 0,35 Prozent am ...
Bis zu 10.000 junge Leute im Alter von 18 bis 28 Jahren sollten jährlich in alle Welt entsandt werden, um „lernend und helfend“ zu erfahren, warum Entwicklungszusammenarbeit wichtig ist. Das war die Idee, als das Entwicklungsministerium (BMZ) das „weltwärts“-Programm 2008 auflegte. Bis zu 70 Millionen Euro Unterstützung sollten dafür alljährlich fließen.
Inzwischen werden kleinere Brötchen gebacken. In den zwei Jahren seit dem Start sind nur rund 5800 junge Freiwillige entsandt und an Partnerorganisationen im Ausland vermittelt worden – teils über den staatlichen Deutschen Entwicklungsdienst (DED), teils über nichtstaatliche Organisationen, darunter viele kirchliche. Kostenpunkt: rund 30 Millionen Euro pro Jahr. Weil das deutlich weniger ist als ursprünglich veranschlagt, hat der Haushaltsausschuss des Bundestags den BMZ-Ansatz für 2010 von 40 Millionen Euro kurzerhand auf 29 Millionen Euro gekürzt.
Mehr DED-Freiwillige auf Kosten anderer Dienste?
Das bedeutet nicht Aufwuchs, sondern Stillstand. Bei nichtstaatlichen Entsendediensten hat das Besorgnis ausgelöst, weil das BMZ zugleich eine höhere Zahl von DED-Freiwilligen anvisiert hat. Eine solche Steigerung würde zwangsläufig auf Kosten anderer Entsender gehen. Diese haben dem Ministerium deshalb vorgeschlagen, den DED als „flexibles Instrument“ einzusetzen: Der staatliche Dienst solle nur dann mehr Freiwillige als bisher schicken, wenn die nichtstaatlichen Entsender das Kontingent an möglichen zusätzlichen Stellen nicht ausschöpfen können. Darüber wird derzeit im Beirat von „weltwärts“ diskutiert.
Hans-Peter Baur, im BMZ für den Freiwilligendienst zuständig, weist die Bedenken der nichtstaatlichen Entsender zurück: „Kriterium ist allein die Qualität“; irgendeine Quotierung werde es nicht geben. Indes sieht das BMZ derzeit kein Problem darin, dass die „weltwärts“-Mittel stagnieren – und wird darin von einer Begleitstudie bestätigt, die demnächst ein Team des Evangelischen Forums entwicklungspolitischer Freiwilligendienste (eFeF) und der Katholischen Hochschule in Köln vorlegen will. Unisono heißt es, Qualität müsse vor Quantität gehen. Josef Freise, Professor an der Katholischen Hochschule, hält unter anderem fest: Die Partnerorganisationen in den Einsatzländern wünschten sich „berufsähnliche Vorerfahrungen“, die den jungen Leuten aus Deutschland oft fehlten. Das Förderprogramm solle sich vom Ziel verabschieden, möglichst schnell möglichst viele Freiwillige zu entsenden. Geboten sei ein „organisches Wachstum“ und mehr fachliche Qualifizierung.
Wesentlich stärker als bisher müsse zudem der inhaltliche wie personelle Austausch mit den Partnerorganisationen gepflegt werden – inklusive eines „Reverse-Programms“, das deren Mitarbeitern und Freiwilligen Aufenthalte und Fortbildungen in Deutschland ermöglicht. Diesen Vorschlag weist Baur allerdings entschieden zurück: „Das ‚weltwärts’-Programm reziprok denken, kann man nicht“, sagt er. Im übrigen biete die BMZ-Durchführungsorganisation InWent Fortbildungen längst an.
Nicht jeder beliebige Bewerber wird genommen
Auch Baur betont aber, dass „Konsolidierung“ angezeigt sei. Und Mängel in der Vorbereitung wie auch der Durchführung sieht Baur vor allem bei einzelnen der rund 200 nichtstaatlichen Entsender. Näheres soll demnächst eine BMZ-Evaluierung aufzeigen. Jürgen Deile indes, der beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) für „weltwärts“ zuständig ist, verweist auf die BMZ-Richtlinien zur Umsetzung des Programms, die unter anderem Kriterien für die Auswahl der Freiwilligen enthalten. Natürlich werde nicht jeder beliebige Bewerber genommen, sondern darauf geachtet, dass ein Freiwilliger zum Profil einer Partnerorganisation passe. Der EED jedenfalls bekomme von seinen Partnern in den Einsatzländern in der Regel die Rückmeldung, dass die „weltwärts“-Freiwilligen eine Bereicherung seien. (di/ell)