Nigeria: Was die Kirchen von dem Neuen halten

Mit Nigerias neuem muslimischen Präsidenten, Muhammadu Buhari, verbinden auch viele Christen große Hoffnungen. Die interreligiösen Beziehungen werden nach Meinung von Fachleuten allerdings von anderen Faktoren bestimmt.

Die Glückwunschtelegramme aus den Reihen der Kirchen an die Adresse des Wahlgewinners Buhari folgten schon kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses Ende März. Die großen christlichen Organisationen wie der Christian Council of Nigeria oder die Christian Association of Nigeria priesen die Wahlen als einen Erfolg für die Demokratie. Und aus den Reihen der katholischen Bischöfe war zu vernehmen, dass man sich auf den neuen Präsidenten freue. Nigerias Bevölkerung besteht jeweils zur Hälfte aus Muslimen und Christen. Kaum ein anderes Land in Afrika ist so sehr für Zusammenstöße zwischen Anhängern der beiden großen Religionen bekannt. Ist die Freude der Kirchenführer über das neue, muslimische Staatsoberhaupt ehrlich oder waren die Statements nach der Wahl nur diplomatische Floskeln?

Klaus Hock von der Theologischen Fakultät der Uni Rostock zweifelt nicht daran, dass es die nigerianischen Kirchen ehrlich meinen. „Für Buhari haben auch viele Christen gestimmt“, sagt der Religionshistoriker, der selbst einige Jahre in Nigeria gelebt hat. Trotz seiner umstrittenen politischen Vergangenheit gelte der Ex-General, der das Land anderthalb Jahre lang von 1983 bis 1985 als Militärherrscher mit eiserner Faust regierte, als weitgehend integer und bescheiden. „Er konnte im Wahlkampf deutlich machen, dass er zwar ein gläubiger Muslim ist, aber keine religiöse Agenda verfolgt oder die Islamisierung der Gesellschaft anstrebt“, sagt Hock. Viele Christen trauten ihm zu, dass er erfolgreich gegen die allgemeine Korruption und die islamistische Terrorgruppe Boko Haram vorgehen könne.

Der Gegenkandidat und bisherige Präsident Goodluck Jonathan habe dagegen eine verheerende Regierungsbilanz vorzuweisen. Meinungsumfragen hätten gezeigt, dass für die Menschen die Themen Sicherheit und Korruption an oberster Stelle standen. „Es ist ein Meilenstein für die Demokratie in Nigeria, dass nicht die religiöse Identität der Kandidaten den Ausschlag gegeben hat, sondern die Politik, für die sie jeweils standen“, sagt Hock.

Große Kirchen zu sehr mit sich selbst beschäftigt

In der Wahlvorbereitung und auch bei der Wahlbeobachtung hätten die Kirchen eine hilfreiche Rolle gespielt. Besonders wichtig sei ihr Einfluss auf Goodlock Jonathan unmittelbar nach der Wahl gewesen. Es sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen, dass dieser die Wahlniederlage so schnell und eindeutig eingesteht, sagt Hock. „Es hätte eine ungute Hängepartie gegeben, wenn Jonathan nicht sofort den Weg zum Regierungswechsel frei gemacht hätte.“ Dass sich unter einem muslimischen Präsidenten für die Christen in Nigeria etwas ändere, glaubt Hock nicht. Ob Kirchen stark oder schwach sind, hänge von ihnen selbst ab und wie sie ihre eigene Rolle in der Gesellschaft verstehen.

Den Einfluss eines muslimischen Präsidenten auf die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen hält Hock für gering. Der Dialog hänge von den religiösen Führern ab, nicht vom Staatsoberhaupt. Allerdings sei die Gruppe derer, die in den Kirchen aktiv den Dialog mit den Muslimen nach vorne bringen, sehr klein in Nigeria.

Das sieht auch Armin Zimmermann so, der Programmverantwortliche für Nigeria beim Schweizer Missionswerk Mission 21. Insbesondere die großen Kirchen im Süden, die häufig sehr reich seien und über gute politische Beziehungen verfügten, seien oft sehr auf sich selbst konzentriert. Es wäre wünschenswert, sagt Zimmermann, wenn sie sich stärker für gesamtgesellschaftliche Anliegen einsetzten. Kleinere Kirchen im Nordosten, die sich trotz oder gerade wegen der ständigen Bedrohung durch Boko Haram für gute Beziehungen zu den Muslimen engagieren, fühlten sich häufig von den Kirchen im Süden allein gelassen. Die „Kirche der Geschwister“, die im Nordosten des Landes Versöhnungsarbeit zwischen Christen und Muslimen leistet, sei deswegen vor zwei Jahren aus dem Christian Council of Nigeria ausgetreten. „Sie konnte mit den antiislamischen Tönen, die es dort immer wieder zu hören gibt, nichts anfangen“, sagt Zimmermann.

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2015: Indien: Großmacht im Wartestand
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