Heimlicher Hunger im Rampenlicht

(19.11.2014) Die Hälfte der Weltbevölkerung leidet unter Mangelernährung, Hunger, Übergewicht oder Nährstoffdefiziten. Bei einer UN-Konferenz in Rom verpflichteten sich mehr als 170 Staaten darauf, den Kampf dagegen zu verstärken.

In einer „Erklärung von Rom“ betonten sie das Recht jedes Menschen auf den Zugang zu sichererer, gesunder und ausreichender Nahrung und versprachen, Mangelernährung in jeder Form zu unterbinden. Es liege in der Verantwortung der Politik, im Dialog mit der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft für die Einhaltung dieses Rechts zu sorgen, erklärten sie.

Zugleich verständigten sie sich auf 60 Empfehlungen, die die Regierungen in nationale Politikfelder wie Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft und Entwicklung aufnehmen sollten. So sollen unter anderem die lokale und regionale Produktion von Lebensmitteln gestärkt und Kleinbauern, insbesondere Frauen, unterstützt werden. Ferner müsse mit freiwilligen und gesetzlichen Regelungen dafür gesorgt werden, den Zucker-, Salz- und Fettgehalt in Lebensmitteln zu senken. Die Bevölkerung solle besser über gesundes Essen aufgeklärt werden.

Trotz aller Bemühungen seien die Fortschritte im Kampf gegen den Hunger zu gering und ungleich verteilt, hieß es. Noch immer hungern 800 Millionen Menschen auf der Welt– zugleich sind eine halbe Milliarde Frauen, Männer und Kinder fettleibig, drei Mal so viele haben Übergewicht. Zwei Milliarden Menschen fehlen lebenswichtige Mineralien und Vitamine, sie leiden unter „heimlichem Hunger“. Das kann auch bei vollem Teller der Fall sein – zu den Folgen von Vitamin A-, Eisen-, Jod- und Zinkmangel zählen Erblindung, Verzögerungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung oder eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte. 

"Mangelernährung zerstört den Körper, die Wirtschaft und die Zukunft"

Die wirtschaftlichen Kosten sind erheblich. Laut dem ersten „Global Nutrition Report“, der bei der Konferenz vorgestellt wurde, werden „elf Prozent des globalen Bruttosozialproduktes verschwendet“, weil Menschen ernährungsbedingt weniger lernen und arbeiten können, krank sind oder frühzeitig sterben. „Mangelernährung zerstört den Körper, die Wirtschaft und die Zukunft“, betonen die Autoren. Sie haben Daten für 122 Länder zusammen getragen. „Nahezu jedes Land hat bei der Mangelernährung eine rote Linie überschritten“, erklärt Lawrence Haddad vom Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungspolitik: „Die öffentliche Gesundheit ist ernsthaft in Gefahr.“

In dem Bericht werden drei Ausprägungen von Mangelernährung unterschieden: Verzögerungen des Wachstums bei unter Fünfjährigen, Blutarmut bei Frauen im gebärfähigen Alter und Übergewicht bei Erwachsenen. Die meisten Länder kämpften mit mindestens zwei Formen gleichzeitig, betont Ernährungsexperte Haddad. Diese „doppelte Last“ müsse stärker in das Zentrum der Bemühungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gerückt werden, fordert er.

Bereits 2012 beschloss die Weltgesundheitsversammlung sechs Ziele, die im Kampf gegen Mangelernährung bis 2025 erreicht sein sollen. Danach soll die Zahl der Kinder unter fünf Jahren mit Wachstumsverzögerungen um 40 Prozent reduziert werden; die Zahl der übergewichtigen Mädchen und Jungen soll nicht steigen.

Und bei einem Ernährungsgipfel in London 2013 hatten sich Regierungen armer und reicher Länder dazu verpflichtet, bis 2020 mindestens vier Milliarden US-Dollar für Ernährungsprogramme auszugeben – und damit mindestens 1,7 Millionen Leben zu retten. Die „Erklärung von Rom“ soll diese Absichten nun noch einmal bekräftigen – allerdings fehlen im Aktionsplan verbindliche Ziele und zeitliche Vorgaben sowie ein transparentes Monitoring-System. (gka)

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