Der Bevollmächtigte des EKD-Rates bei der Bundesregierung, Prälat Martin Dutzmann, sah bei einer Diskussion in Berlin seine Befürchtungen bestätigt. Denn laut einer ersten Studie, die das Entwicklungsministerium in Auftrag gegeben hat, könnte der globale Süden durch eine Umleitung der Handelsströme der Leidtragende sein.
BMZ-Staatssekretär Friedrich Kitschelt beteuerte bei der Diskussion, das Ministerium nehme die Risiken sehr ernst. TTIP müsse so ausgestaltet sein, dass es die globale Wahrung der Menschenrechte garantiere. „Rote Linien“ dürften nicht überschritten werden. In den nächsten Wochen werde eine weitere beim Münchner Institut für Wirtschaftsforschung beauftragte Folgenabschätzung geprüft.
BMZ will bei TTIP die Interessen der Entwicklungsländer wahren
Eine nachhaltige Handelspolitik sei jedoch auch mit TTIP möglich, wenn der „Referenzrahmen gut eingegrenzt“ werde, betonte Kitschelt. Das bedeute etwa, dass bisherige Vorzugsbehandlungen armer Länder in der EU und der Welthandelsorganisation WTO „abgebildet sein müssen“. Als Interessenswahrer der südlichen Partner werde sich das BMZ „nicht über den Tisch ziehen lassen“, versicherte er.
Indes wird bezweifelt, ob es noch möglich ist, Einfluss zu nehmen. Den Verhandlungsrahmen gebe das von den EU-Mitgliedern an die Kommission erteilte Mandat ziemlich streng vor, erläuterte die stellvertretende Direktorin des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik (DIE), Imme Scholz. Und das sei von Brüsseler Generaldirektion Handel abgesteckt worden, die isoliert denke und den Freihandel befürworte.
Auch die Direktorin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, sah es nahezu als gegeben an, dass TTIP neue Maßstäbe setzen werde – aber nicht für Nachhaltigkeit im Sinne von menschenrechtsbasierten Belangen. Das „Hase und Igel-Rennen“ zwischen bi- und multilateralen Handelsgesprächen sei im Grunde bereits entschieden. „Ich glaube, wir werden alle mit dem Kompass leben müssen, den TTIP setzt“, sagte sie.
Füllkrug-Weitzel: EU soll neue Impulse für Welthandelsgespräche setzen
Dies sei Grund genug, vonseiten der EU schon jetzt neue Impulse für die brachliegenden Welthandelsgespräche zu geben. Da sich auch unter Schwellen- und Entwicklungsländern die Prioritäten verschoben haben, gebe es möglicherweise neue Koalitionsmöglichkeiten, so Füllkrug-Weitzel. Imme Scholz betonte, Deutschland müsse sich künftig in multilateralen Verhandlungen konstruktiver verhalten, um negative Folgen für Entwicklungsländer zu konterkarieren.
Verbraucherverbänden, Gewerkschaften und die Kampagne „FAIR Handeln – TTIP stoppen“ kritisieren an dem Abkommen vor allem, dass es diesseits des Atlantiks die Standards zum Schutz von Umwelt, Verbrauchern und Arbeitnehmern absenken werde. Auch demokratisch erwirkte Reformen etwa in der Energiepolitik könnten nach den bisherigen Plänen von ausländischen Investoren durch übergeordnete Schiedsgerichte ausgehebelt werden, sobald Unternehmen wegen drohender Verluste klagten – wie derzeit etwa der Vattenfall-Konzern gegen die Stadt Hamburg.
Politisch laufen Grüne und die Linke Sturm, während die Koalition laviert. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel befürwortet das Projekt. Die US-Regierung möchte es möglichst vor Ende der Amtszeit von Präsident Barack Obama abschließen. Sie will – gerüstet mit dem transatlantischen Paket „goldener Standards“ - ein ähnliches Abkommen mit China verhandeln
Der nächste TTIP-Beirat, der vom Wirtschaftsministerium über den Verlauf der Verhandlungen informiert wird, tagt am 14. Januar. Neben Prälat Dutzmann gehören ihm 21 weitere Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft an.
Marina Zapf
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