Flüchtlingspolitik: Italien stoppt Seenotrettung

(20.10.2014) Italien will die Kosten nicht mehr allein tragen, und die anderen EU-Mitglieder wollen sich nicht beteiligen. Wenn es hingegen um die „Erfassung“ von Flüchtlingen geht, sind die Innenminister wieder eifrig dabei.

Seit dem Schock, als vor einem Jahr vor der italienischen Insel Lampedusa mehr als 500 Flüchtlinge in Sichtweite der Küste ertranken, hat die italienische Marine über 140.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Die zusätzlichen Betriebskosten für ihre Marine- und Zollschiffe beliefen sich nach Angaben der Regierung auf neun Millionen Euro monatlich: Rom hatte von Beginn der Aktion an die anderen EU-Mitglieder darauf hingewiesen, dass Italien diese Last nicht auf Dauer allein tragen könne. EU-Kommission, -Ministerrat und -Mitgliedstaaten berieten zwar über eine „gemeinsame Lösung“, doch schon bei Antritt des italienischen EU-Vorsitzes im vergangenen Juli war deutlich, dass die EU nicht willens ist, die italienische Rettungsaktion zu unterstützen oder gar in EU-Regie zu übernehmen.

Nun haben die EU-Innenminister auf ihrer Tagung Anfang Oktober in Luxemburg die Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer auch in aller EU-Formalität begraben, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière gab dabei den Ton an: „Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke erwiesen.“ Seine Amtskollegen folgten ihm und befürworteten „das unverzügliche Auslaufen“ der italienischen Seenotrettung.

Die Agentur FRONTEX soll die Grenzkontrollen verstärken

Für eine nicht abzuschätzende Zahl von Menschen, die übers Mittelmeer nach Europa flüchten wollen, kann dies ein Todesurteil bedeuten; trotz der italienischen Rettungsaktion sind laut Amnesty International allein in diesem Jahr dreitausend Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Einen Ersatz für „Mare Nostrum“ sieht die EU nicht vor. Wohl soll eine neue Aktion namens „Triton“ unter der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX die Überwachung der EU-Außengrenze im Mittelmeer ab November verstärken, aber die Agentur hat dafür bisher noch keinerlei zusätzlich Mittel.

Umso eifriger sind die EU-Regierungen bereit zur „Erfassung“ von Flüchtlingen, wenn diese denn in der EU an Land kommen. Damit hatte Italien Schwierigkeiten, und aus Sicht der Innenminister der nördlichen EU-Nachbarländer sind allzu viele nicht registriert und ohne Papiere, also „illegal“ in die weitere EU gereist. Deutschland, so de Maizière in Luxemburg, werde Expertengruppen bereitstellen, die in Italien bei der Erfassung helfen. Dort nämlich „wehren sich Flüchtlinge leider gegen Fingerabdrücke, und dafür habe ich kein Verständnis“.

Wenig Verständnis indes hatten die übrigen EU-Minister für eine von ihren Kollegen aus Deutschland, Schweden, Finnland und Österreich vorgeschlagene Quoten-Regelung zur Zuteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder. Und schon gar nicht stand unter ihnen zur Debatte, Flüchtlinge dort unterzubringen, wohin diese selbst wollten. Allenfalls sei von den Möglichkeiten schon bestehender Regelungen wie der zur Familienzusammenführung Gebrauch zu machen. Die ist freilich ein von den Vereinten Nationen verbürgtes Recht von anerkannten Flüchtlingen – das von den Behörden fast aller EU-Länder allerdings trotzdem nur zu oft missachtet wird.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2014: Der Glaube und das Geld
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