Chaos in Zeiten von Ebola

Viele einzelne Maßnahmen, aber kein durchdachter Krisenplan: Die Opposition wirft der Bundesregierung Aktionismus vor. Nun soll es ein "Ebola-Beauftragter" richten.

Eine Krise wie diese war „so noch nicht da“, sagt Walter Lindner. Der Diplomat ist der neue Ebola-Beauftragte der Bundesregierung. Seine Ernennung zeigt: Berlin sieht ein, dass der bisherige Beitrag Deutschlands im Kampf gegen die Epidemie in Westafrika nicht allzu viel gebracht hat.

Lindner sprach von einer „Mega-Aufgabe“, von der man nicht sagen könne, wann sie zu gewinnen sei. In seiner Karriere hat der Diplomat schon Krisenstäbe geleitet, war Botschafter in Kenia und Afrika-Beauftragter der Bundesregierung. Aber auch er wirkte kleinmütig angesichts der Unwägbarkeit der Risiken.

Die vielen einzelnen Maßnahmen, mit denen Berlin zur Eindämmung der Epidemie beitragen will, haben der Regierung den Vorwurf des Aktionismus eingebracht. Kordula Schulz-Asche, die Grünen-Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft, hielt der Regierung vor, ihr Krisenmanagement sei „viel zu spät, vollkommen chaotisch und verantwortungslos“. Anstatt mit allen Ressorts einen Krisenplan auf den Weg zu bringen, werde die Verantwortung zwischen den Ministerien „hin und her jongliert“. Schulz-Asche: „Ein wahres Trauerspiel.“

Deutsche Helfer ab November im Einsatz

Auch Lindner wird ein stimmiges Konzept so schnell nicht liefern. Er tritt eher als Mittler denn als Macher auf. Erst nach seiner Rückkehr von einer Westafrika-Reise wollte Lindner im Sonderstab Ebola die Beiträge der Ministerien abstimmen. Zunächst sei zu klären, mit welchen Partnern vor Ort Deutschland kooperieren soll. Dann folge die Ressortabsprache.

Die Ministerien müssen zudem mehr Geld bereitstellen – ob für die unterfinanzierte Weltgesundheitsorganisation (WHO), für Zuschüsse an Ärzte ohne Grenzen, die Welthungerhilfe oder andere Hilfsorganisationen. Die 2014 im Bundeshaushalt für die Ebola-Krise vorgesehenen 18 Millionen Euro sind nahezu ausgeschöpft. Für 2015 sind bislang weniger als eine Million Euro eingeplant. Es müssen also außerordentliche Ausgaben bewilligt werden. Im Auswärtigen Amt hieß es, die Regierung werde ihrer Verantwortung gerecht. Es werde „voraussichtlich“ mehr Geld geben. Kein guter Planungshorizont für die Helfer vor Ort.

Vorläufig konzentriert Deutschland seinen Beitrag auf Sachleistungen. Ende Oktober sollte die Ausbildung der Bundeswehr-Freiwilligen beginnen, die ab November ins Krisengebiet fliegen. Derweil stellen Deutsche in Liberia 270 Ebola-Betten auf. Als Schwerpunkte sieht das Auswärtige Amt vor allem Transportkapazitäten, um Spenden in die Region zu bringen, sowie Fähigkeiten des THW und des Roten Kreuzes. Eine Strategie ergibt das aber noch nicht.

Aus dem Entwicklungsministerium kommt wenig

Dass die deutsche Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik „zu den weltweit führenden gehört und mit ihrem Portfolio einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Virus leisten kann“, darauf mussten Wirtschaftsvertreter erst selbst hinweisen. Ein Aktionskreis Ebola – gegründet vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft und der German Healthcare Partnership aus Unternehmen der Branche – meldete Hilfsbereitschaft. Man könne Schutzkleidung, Diagnose- und Labortechnik liefern oder Fachpersonal mobilisieren, hieß es nach einem Treffen von rund 30 Teilnehmern aus Unternehmen, Ministerien, Fachverbänden und nichtstaatlichen Organisationen. Wer die Rechnung zahlt, muss allerdings noch geklärt werden. Der Gesundheitsminister rief in Berlin zu Spenden von Material und Geräten auf, während sich das Entwicklungsministerium, das die in Afrika schon aktive Health Partnership unterstützt, bemerkenswert still verhielt.

Mit einem Aktionsprogramm, wie es die Grünen fordern, tut die Regierung sich offenkundig schwer. Die Grünen wollen einen Dreiklang aus „Katastrophenschutz, umfassender Logistik und medizinischem Fachpersonal“. Zwar legte auch Botschafter Lindner fünf Arbeitsschwerpunkte fest: Durchbrechen der Infektionsketten; Ebola isolieren statt die betroffenen Länder; in den fragilen Staaten Ernten, Schulen und Sicherheit gewährleisten; die Gesundheitssysteme aufbauen; und alles in effiziente Strukturen binden. Doch dafür bräuchte es wohl einen zweiten Ebola-Beauftragten, der auch innenpolitisch die Fäden zusammenführt.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2014: Der Glaube und das Geld
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