Mannheim hatte vor einer geplanten Free Palestine-Demonstration am 19. Juli in der Stadt mit einem Friedensappell ein Signal gegen Gewalt und Antisemitismus gesetzt. Die Stadt will auf beiden Seiten die Stimmen unterstützen, die sich für einen Dialog und eine friedliche Lösung aussprechen.
Neben Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) und den Fraktionen von CDU, SPD und Grünen im Stadtrat haben die Jüdische Gemeinde sowie alle großen Moscheegemeinden und die christlichen Kirchen in Mannheim den Aufruf unterzeichnet. Es sei nicht akzeptabel, wenn in Mannheim die eine oder andere Seite herabgewürdigt oder diffamiert werde, heißt es in dem Appell: „Hetzparolen oder rassistische Provokationen gegen einzelne Gruppen – gleich ob Juden oder Muslime, Palästinenser oder Israelis – treffen auf unseren schärfsten Widerspruch – erst recht jeder Aufruf zu Gewalt.“
Mannheim ist schon lange in der interkulturellen und interreligiösen Zusammenarbeit engagiert; das hat die Beteiligung jüdischer und muslimischer Vertreter an dem Friedensappell möglich gemacht. „Toleranz bewahren, zusammen leben“ ist eines von sieben strategischen Zielen, die die Stadtspitze zur Modernisierung Mannheims ausgerufen hat.
Es ist schwierig, Verständnis aufzubringen
Dennoch war es nicht einfach angesichts der Eskalation im Nahen Osten die verschiedenen Parteien von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Signals zu überzeugen, sagt David Linse, der Leiter des Fachbereichs Internationales, Integration und Protokoll in Mannheim. „Wir haben mit dem Friedensappell einen Grundkonsens erzielt, obwohl es angesichts der Umstände schwer ist, für die jeweils andere Seite Verständnis aufzubringen.“
Unter den Muslimen in Mannheim sei die Bestürzung über die vielen zivilen Opfer in Gaza groß. Aber die Imame riefen beim Freitagsgebet vor der Free-Palestine-Demonstration in den Mannheimer Moscheen dazu auf, friedlich zu demonstrieren. In der Jüdischen Gemeinde habe es heftige Diskussionen gegeben, aber am Ende habe sich niemand dem Ansinnen der Stadt entzogen, sagt Linse.
Mannheim kann auf Kontakte nach Israel und in die palästinensischen Gebiete zurückgreifen. Die Stadt hat seit 2009 eine Partnerschaft mit Haifa und seit dem vergangenen Jahr eine Kooperationsvereinbarung mit Hebron, der größten Stadt in den palästinensischen Gebieten. Im März war Oberbürgermeister Peter Kurz in der Region und hat die Partnerkommunen besucht, beide jeweils für genau zwei Tage.
Besonders begeistert sind die beiden Partnerstädte nicht
In Haifa wird nicht gerne gesehen, dass Mannheim auch eine palästinensische Partnerstadt hat. Umgekehrt sind auch die Vertreter von Hebron alles andere als begeistert über die Verbindung der deutschen Partner mit der israelischen Hafenstadt. Jetzt haben die Ereignisse Mannheim auch direkt getroffen: Ein für Ende Juni geplanter Besuch palästinensischer Wirtschaftsfachleute in Deutschland musste verschoben werden, weil die israelische Militärverwaltung nach dem Mord an drei israelischen Talmud-Schülern eine 14-tägige Ausreisesperre für den gesamten Großraum Hebron verhängt hatte. Der Besuch soll im Herbst nachgeholt werden.
Die Demonstration am 19. Juli in Mannheim indes verlief friedlich. Rund 3000 Bürger protestierten gegen die israelische Offensive in Gaza. Die überwiegend türkischen Organisatoren des Protestes hatten zu Beginn der Demonstration nochmals gebeten, auf Beleidigungen und Gewalt zu verzichten. Ob es antisemitische Parolen gab oder nicht, wird in den sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert.
David Linse ist aber mehr denn je davon überzeugt, dass die Beziehungen zu beiden Seiten des Dauerkonflikts Sinn machen. Es schärft die Sensibilität für die jeweiligen Sichtweisen der Konfliktparteien und dient so dem friedlichen Zusammenleben in einer multikulturellen Stadt. Außerdem wolle Mannheim die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten stärken, sagt Linse. „Jetzt dominieren die Scharfmacher die Diskussion. Für Kräfte, die den Frieden wollen, ist es schwierig.“ Aber genau diese Kräfte werden dringend gebraucht.
Neuen Kommentar hinzufügen