Postkarten zeigen die ganze Schönheit der Karibikinseln: weiße Sandstrände, türkisfarbenes Wasser und Kokospalmen, die sich im Wind wiegen. Das perfekte Urlaubsziel für Millionen Besucher aus aller Welt. Doch seit einigen Jahren kämpft die Tourismusindustrie, die als Rückgrat der karibischen Wirtschaft gilt, um Nachhaltigkeit in Zeiten des Klimawandels. Der Meeresspiegel steigt und trägt die Strände ab – das schwächt die Anziehungskraft der Karibik für Urlauber.
Eine weitere Attraktion ist die Unterwasserwelt mit ihren Korallenriffen. Doch Wissenschaftler sehen auch sie bedroht – etwa durch Abfälle, die im Meer entsorgt werden, und durch die Erwärmung der Wasseroberfläche. „Der Fremdenverkehr leidet schon jetzt unter dem Klimawandel“, klagt der frühere Premierminister von Antigua und Barbuda, Baldwin Spencer.
Autor
Desmond L. Brown
ist freier Journalist und lebt in St. John’s auf Antigua. Er beschäftigt sich vor allem mit dem Klimawandel und Umweltthemen in der Karibik.„Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen halben Meter würden laut Studien bis zu 60 Prozent der Strände Grenadas verschwinden, darunter auch der von Grand Anse, ein wichtiger Touristenmagnet“, erklärt Spencer. In Barbados, einem der Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte, einem kleinen Eiland mit 270.000 Bewohnern, beschreibt Tourismusminister Richard Sealy den Klimawandel als „sehr reales Problem“. „Unser Tourismus hängt zum größten Teil vom Ökosystem des Meeres ab, das besonders unter den Folgen der Erderwärmung leidet“, sagt er.
Die Tourismusindustrie sei jedoch nach wie vor ein wichtiger Partner, um nachhaltige Entwicklung und verantwortliche Vorgehensweisen zu fördern, betont der Minister. Seit einigen Jahren setzt Barbados laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) verstärkt auf erneuerbare Energiequellen, vor allem auf die Warmwasserbereitung mit Hilfe der Sonne. Mit einem Aktionsprogramm wollen Regierung und Tourismusindustrie ferner die Energieeffizienz im Hotelgewerbe steigern.
Der Klimawandel beeinträchtigt jedoch nicht nur den Tourismus in der Karibik. Er hat auch Folgen für den Lebensunterhalt der Menschen – selbst jener, die nur indirekt ihr Geld mit den Urlaubern verdienen. Die Fischgründe bei den karibischen Korallenbänken bringen jährlich einen Gewinn von rund 310 Millionen US-Dollar. Setzt sich die Zerstörung der wenigen verbliebenen Korallenriffe in der Region fort, könnte sich dieser Betrag im schlimmsten Fall nahezu halbieren.
Die Fischbestände sind deutlich zurückgegangen
Auch der damit verbundene Niedergang des Tauchtourismus hätte empfindliche Folgen für die jährlichen Einnahmen aus dem Fremdenverkehr. Gary Mendoza aus Belize hat sein Leben lang als Fischer gearbeitet. Der 61-Jährige hat in den vergangenen zehn Jahren beobachtet, dass die Fischbestände deutlich zurückgegangen sind. Er ist überzeugt davon, dass es am Klimawandel liegt. Das Wetter habe sich so verändert, dass Fischer vieles nicht mehr tun können, was früher normal war. „Als junger Fischer konnte ich fast jede Woche vorhersagen, welche Fische wir wo und wie fangen würden“, erzählt er. „Heute ist das nicht mehr so. Jeden Tag ist das Wetter anders.“
Manuel Heredia Jr., Belizes Minister für Tourismus, zivile Luftfahrt und Kultur, stimmt Mendoza zu. Das mittelamerikanische Land habe im vergangenen Jahr eine der schlimmsten Regenzeiten durchgemacht, berichtet er. Mindestens acht Monate lang habe es täglich geregnet. „Die Verluste und Schäden waren enorm, größer als durch die Hurrikans, die wir hier oft haben.“ Hinzu komme eine ungewöhnlich starke Hitze. „Die Sonne brennt so stark, dass sich Fischer, die früher ohne Sonnenschutz aufs Meer hinausfuhren, heute schützen müssen“, fügt Heredia hinzu.###Seite2###
St. Vincent und die Grenadinen spekulieren auf einen Touristenboom, wenn dort voraussichtlich 2015 der erste internationale Flughafen eröffnet wird. Allerdings mussten sie am 24. Dezember 2013 einen herben Rückschlag hinnehmen. Innerhalb von drei Stunden fielen dort mehr als 380 Liter Regen pro Quadratmeter und ließen die Flüsse über die Ufer treten. Ein Dutzend Menschen starben, Straßen und Brücken wurden stark beschädigt oder völlig zerstört. „Im vergangenen Dezember haben wir die schlimmste Katastrophe auf St. Vincent und den Grenadinen seit Menschengedenken erlebt. Das war nicht normal“, sagt Tourismusminister Cecil McKee.
Die Retter der Korallenriffe
Es klingt alarmierend: Die Korallenriffe in der Karibik sind laut einer neuen Studie seit den 1970er Jahren zur Hälfte zerstört worden. Doch die Meeresbiologen machen Hoffnung. Es gebe Wege, ...
St. Vincent und die Grenadinen, bestehend aus 32 Inseln, bietet das vielfältigste Tourismusangebot in der Region. Zu den Nischenmärkten zählen Ökotourismus, Segeln, Tauchen, Schnorcheln, Wandern, Hochzeitspakete und Flitterwochen. McKee berichtet von Versuchen, weitere Angebote zu entwickeln, etwa Kulturerlebnisreisen, die die Zahl der Besucher beträchtlich steigern könnten. „Wir versuchen, ein Kulturdorf aufzubauen, in dem wir Touristen unser kulturelles Erbe und die vincentische Kultur, die traditionellen Speisen, die Musik und die Handwerkskunst, nahebringen“, erläutert McKee.
Mit St. Kitts und Nevis versucht ein weiteres Land in der Karibik, eine neue Tourismus-Nische zu besetzen, nachdem zahlreiche Länder rund um den Erdball nun die karibische Hauptattraktion anbieten: Sonne, Sand und Meer. Unternehmer fordern, mehr Hotels in das Landesinnere zu verlegen und verstärkt Attraktionen wie die Artenvielfalt zu bewerben. „Wir müssen neue Geschäftsmodelle suchen, die für das 21. Jahrhundert tauglich sind“, meint der Hotelier Valmiki Kempadoo. Angesichts der Folgen des Klimawandels „kann die Lage eines Hotels 150 oder 300 Meter oberhalb des Meeresspiegels schon einen entscheidenden Vorteil bedeuten“, ist der Geschäftsmann überzeugt.
St. Kitts und Nevis hat schon einen ersten Schritt getan. Noch in diesem Jahr soll dort die Belle-Mont-Farm eröffnet werden, ein Teil des Luxusresorts Kittitian Hill. Sie liegt im Norden der Insel zwischen dem Vulkan Mount Liamuiga und der karibischen See an einem Berghang, der zur Küste hin flach ausläuft. Die Gästehäuser bieten einen Panoramablick auf die Nachbarinseln Sint Eustatius, Saint-Barthélemy und St. Maarten.
Sie befinden sich inmitten einer Farm, auf der Gemüse und Früchte, darunter mehrere Sorten Mangos angepflanzt werden. Die Gäste erhalten Gelegenheit, sich mit den einheimischen Bauern auszutauschen, und sie dürfen selbst Passionsfrüchte, Bananen und Ananas ernten. Projekte wie dieses sollen die Gästezahlen steigern.
Dabei sind die Veranstalter offenbar schon auf einem guten Weg. Die in Barbados ansässige Tourismusorganisation der Karibik (CTO) ist jedenfalls zufrieden mit der Zahl der Gäste in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Sie sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,2 Prozent gestiegen, teilte die CTO-Vorsitzende Beverly Nicholson-Doty mit. Auch die Zahl der Besuche von Kreuzfahrttouristen habe sich um 2,3 Prozent erhöht. Darüber hinaus gäben die Urlauber mehr Geld aus als im vergangenen Jahr. „Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr, dass in der gesamten Region die Einnahmen aus dem Tourismus steigen“, sagt Nicholson-Doty.
Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.
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