Gemeinden als „Labore des Wandels“

Niko Paech streitet für die Befreiung vom Überfluss. Damit kam der Volkswirtschaftler gut an bei der Ökumenischen Versammlung Anfang Mai in Mainz. Vertreter von christlichen Basisgruppen und Reformtheologen suchten dort nach Wegen in eine gerechtere Welt.

Auf der Tagesordnung des fünftägigen Treffens standen unter anderem der Klimawandel und die Chancen für einen gesellschaftlichen Wandel, die „große Transformation“. Paech, der in Oldenburg lehrt, ist einer der prominentesten Verfechter der sogenannten Postwachstumsökonomie, einer Wirtschaft ohne Wachstum. „Unser Wohlstandsmodell ist nicht zu retten“, stellte er fest – auch nicht mit Hilfe effizienterer und „grüner“ Technologien.

„Viele ruinöse Praktiken wie der Flugverkehr lassen sich nicht wegoptimieren“, betonte der Volkswirtschaftler. Die ökologischen Grenzen der Erde ließen sich nur einhalten, wenn der Energie- und Ressourcenverbrauch zurückgefahren werde – Suffizienz lautet der Schlüsselbegriff. Genügsamkeit und Verzicht seien auch sinnvoll, um die seelische Gesundheit zu stärken, ergänzte er und wies auf die steigende Zahl psychischer Erkrankungen hin. „Wir haben gar keine Zeit mehr, um den Wohlstand zu genießen.“

Paech plädierte unter anderem dafür, die Erwerbsarbeit auf 20 Stunden pro Woche zu reduzieren und den Rest der Zeit zu nutzen, etwa Obst und Gemüse anzubauen, Gegenstände zu reparieren und zu teilen. Regionale und lokale Wirtschaftskreisläufe müssten gestärkt werden. Er favorisiert das Fahrrad sowie den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, Autobahnen und Flughäfen sollten abgerissen werden. Vorangehen müssten die, „die über ihre Verhältnisse leben“. Nötig seien Vorreiter und Lebensmodelle, mit denen man in die politischen Verhandlungen gehen könne, um die wirtschaftlichen Strukturen zu ändern.

Klaus Heidel von der Heidelberger Werkstatt für Ökonomie sieht die Kirchengemeinden als „Labore“, in denen der geforderte Wandel erprobt werden könne. „Der Verzicht auf Konsum wird wehtun und uns mit Konflikten konfrontieren“, sagte der Theologe. „Wir brauchen neue Formen der Spiritualität und des Umgangs miteinander.“ Auch die Kirche müsse sich allerdings zunächst über das Ausmaß der Krise klar werden. Es gehe darum, das „Haus umzubauen oder neu zu bauen, statt Nachhaltigkeitsgärten anzulegen“. Die Kirche werde aufbrechen und „Partei ergreifen müssen“.

Der Mensch muss wieder lernen, in Harmonie mit der Natur zu leben, statt sich zu ihrem Bezwinger aufzuschwingen – darin waren sich in Mainz alle einig. Der Generalsekretär der Schweizer Hilfsorganisation Brot für alle, Beat Dietschy, sprach von einem „historischen Projekt“. Es gehe darum, eine Zivilisation, „die sich selbst zerstört“, zu verwandeln.

Das bundesweite Treffen in Mainz mit mehr als 150 einzelnen Veranstaltungen stand unter dem Motto „Die Zukunft, die wir meinen – Leben statt Zerstörung“. Es knüpfte an die Tradition von Ökumene-Versammlungen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung an, die ab 1988 die Bürgerrechtsbewegung in der DDR stärkten.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2014: Tschad: Langer Kampf um Gerechtigkeit
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