„Markierte Grenzen bringen Frieden“

Die meisten Staatsgrenzen in Afrika sind kaum oder gar nicht markiert. Das hat wiederholt zu Konflikten über Grenzverläufe geführt. 2007 hat die Afrikanische Union ein Programm eingerichtet mit dem Ziel, innerhalb von zehn Jahren sämtliche Grenzen auf dem Kontinent zu markieren. Wie das funktioniert, erklärt Aguibou Diarrah, der Leiter des Programms.

Die Afrikanische Union will bis 2017 alle Staatsgrenzen abgesteckt und markiert haben. Warum ist das so wichtig?
Grenzen in Afrika tragen eine Erblast: Sie wurden von den früheren Kolonialmächten gezogen. Dennoch haben sich die afrikanischen Staats- und Regierungschefs 1964 im Rahmen der sogenannten Kairo-Erklärung zur Unantastbarkeit der Grenzen bekannt. Das heißt, in Afrika sollten die Staatsgrenzen so bleiben wie zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit, und die neuen Staaten sollten gegenseitig ihre Souveränität und territoriale Integrität achten. Das ist ein wichtiges Prinzip für Stabilität, Frieden und Sicherheit.

Dennoch kann es zu Grenzstreitigkeiten kommen, manchmal auch zu Krieg – so wie zwischen Mali und Burkina Faso in den 1980er Jahren oder zwischen Nigeria und Kamerun über zwei Jahrzehnte bis 2002. Unklare Grenzen befeuern solche Konflikte. Manchmal ist es unmöglich zu sagen, wo ein Staatsgebiet endet und das andere beginnt. Frieden und Sicherheit sind vor allem bedroht, wenn es um Bodenschätze geht, die oft in Grenzgebieten lagern. Die Markierung von Grenzen hilft den Staaten, ihre Angelegenheiten in friedlicher Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn zu regeln.

Erreichen Sie Ihr Ziel bis 2017?
Wir geben unser Bestes. Das AU Border Programme wird großzügig von der deutschen Regierung unterstützt, die ihre Hilfe seit 2008 über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bereitstellt. Großbritannien fördert unsere Arbeit an der Grenze zwischen Sudan und Südsudan. Aber die Aufgabe ist groß: Afrika hat mehr als 80.000 Kilometer Grenzen. Bis heute ist davon fast ein Drittel abgesteckt, markiert oder bestätigt.

Gibt es derzeit Grenzkonflikte?
Ja. Außerdem waren einige Länder in den vergangenen Jahrzehnten mit hohen Kosten konfrontiert, weil sie vor dem Internationalen Gerichtshof ihre Grenzstreitigkeiten beilegen wollten. Beispiele sind Burkina Faso und Mali, Kamerun und Nigeria sowie Benin und Niger. Aber auch dafür suchen wir Lösungen auf afrikanischer Ebene.

Wie kann Ihr Projekt zur Lösung solcher Spannungen beitragen?
Wir bemühen uns vor allem um Vorbeugung, so dass erst gar keine Spannungen entstehen. Wo es sie schon gibt, unterstützen wir Vermittlung und Verhandlungen. Außerdem ermutigen wir die Staaten, nationale oder bilaterale Grenzkommissionen einzurichten. Derzeit haben etwa 15 Staaten solche Kommissionen.

Wie werden die Grenzen markiert? Woher wissen die Leute, dass sie eine Grenze überschreiten?
Grenzen zu ziehen und zu markieren, ist ein vielschichtiges politisches und technisches Unterfangen. In aller Kürze: Wir errichten Grenzmarkierungen, wobei man von einer Markierung aus immer die nächste sehen sollte. Aber das ist noch nicht alles: Wir weisen die Bevölkerung darauf hin und machen ihnen klar, dass die Markierungen keine Barriere darstellen. Die Grenze ist eine Brücke: Man kann an ihr entlang gehen und oft auch darüber, von Stadt zu Stadt. Es ist nicht die Berliner Mauer.

Akzeptieren die Menschen die Grenzen?
Die Leute sind gut informiert, um was es beim AU Border Programme geht. Wir legen großen Wert darauf, dass sie von der Demarkierung von Grenzen profitieren. Die Leute sind aktiv an grenzüberschreitenden Projekten beteiligt. Sie sind schließlich die maßgeblichen Kräfte für gute nachbarschaftliche Beziehungen.

Können Bewohner von Grenzregionen Grenzen leicht überschreiten, um etwa eine Gesundheitsstation aufzusuchen, die näher ist als die im eigenen Land?
Ja. Mit Hilfe der GIZ haben wir zum Beispiel ein grenzüberschreitendes Gesundheitszentrum zwischen Burkina Faso und Mali aufgebaut. Es wird zu gleichen Teilen von Leuten aus den beiden Ländern genutzt. Das Personal kommt aus beiden Ländern und wird von beiden Seiten bezahlt. Dieses Modell sollte Schule machen in Afrika.

Die Grenze zwischen Mali und Burkina Faso ist fertig markiert. Wie hat sich das ausgewirkt?
Es hat eine Menge verändert. Es gab zwei Grenzkriege, 1975 und 1985, die viel Elend für die beiden Bevölkerungen gebracht haben. Mit der Grenzmarkierung und einigen grenzüberschreitenden Projekten wie dem Gesundheitszentrum, gemeinsamen Lagern für die Getreideernte oder Mikrokrediten für Unternehmerinnen haben wir den politischen Willen gefestigt, die bilaterale Kooperation angeschoben und die Integration auf Gemeindeebene gestärkt. Markierte Grenzen bringen Frieden, und Frieden macht es den Menschen auf beiden Seiten möglich, sich zu treffen.

Das Projekt zu Mali und Burkina Faso arbeitet gleichsam grenzüberschreitend?
Wir verfolgen das Modell eines integrierten Grenzmanagements. Das heißt, wir verknüpfen Fragen der Sicherheit mit der Entwicklung des Grenzgebiets. Wir unterstützen Sicherheitskräfte im Kampf gegen Kriminalität ebenso wie Frauen im Kampf gegen die Armut. Wir versuchen aus dem Grenzgebiet eine Zone für nachhaltige Entwicklung zu machen.

Oft behindern Zölle, Bürokratie, aber auch Korruption den Handel und den wirtschaftlichen Austausch zwischen Staaten in Afrika. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Grenzen sind häufig ein Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung und die Bewegung von Gütern und Menschen. Einige Regionalorganisationen in Afrika schaffen sogenannte One-Stop-Grenzposten, in denen alle Formalitäten auf einmal erledigt werden können. Das soll den Grenzverkehr beschleunigen. Solche Initiativen stimmen überein mit unserer Vision, die Grenzen in Afrika zu Brücken zu machen – und die Barrieren abzubauen.

Das Gespräch führte Gesine Kauffmann.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2014: Durchlass hier, Mauer dort
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