„Wir reden nicht darüber“

Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien werden wichtiger in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Mexiko gehört auch dazu. Was kann es ärmeren Ländern anbieten? Was sagt die Bevölkerung dazu? Fragen an den mexikanischen Entwicklungsfachmann Gerardo Bracho.

Wie arbeitet Mexiko mit ärmeren Ländern zusammen?
In den vergangenen zehn bis 15 Jahren haben wir unsere Entwicklungszusammenarbeit auf die Bereiche konzentriert, in denen wir bei uns selbst erfolgreich waren. Die können wir dann in andere Länder exportieren. Ein Beispiel sind Sozialprogramme wie die sogenannten „cash transfers“. Die wurden in Mexiko entwickelt und werden seitdem überall in der Welt eingesetzt.

Welchen Stellenwert hat Entwicklungspolitik in Mexikos Politik und Gesellschaft?
Eines der größten Hindernisse für Hilfe aus Mexiko ist, dass sich das nur schwer unserer Bevölkerung vermitteln lässt. Coneval, die staatliche Agentur, die die Sozialpolitik der Regierung überwacht, ist sehr streng. Wenn zum Beispiel die OECD oder eine andere Institution sagt, Mexiko sei mittlerweile ein wohlhabendes Land mit einer Armutsrate von nur noch 15 Prozent, dann kommt Coneval und sagt, die Rate liege immer noch bei 40 oder sogar 50 Prozent. In Mexiko gibt es noch viele arme Menschen, und das macht es uns schwer zu begründen, dass wir eine aktive und großzügige Entwicklungszusammenarbeit brauchen. Wir leisten bereits viel Hilfe, nicht viel weniger als Brasilien für technische Zusammenarbeit gibt. Aber wir reden nicht darüber. Die gegenwärtige Regierung muss sich deshalb eine Kommunikationsstrategie ausdenken.

In Deutschland gibt es zivilgesellschaftliche Organisationen, die es als ihre Aufgabe betrachten, in der Öffentlichkeit für Entwicklungspolitik zu werben. Gibt es die auch in Mexiko?
Ja, es gibt Entwicklungsorganisationen, aber die meisten befassen sich mit den Armen in Mexiko. Es gibt jedoch auch ein paar NGOs, denen bewusst ist, dass ein Land wie Mexiko sich nicht vor seiner Verantwortung gegenüber ärmeren Ländern drücken kann. Die drängen uns zu einer engagierteren Entwicklungspolitik.

Vor zwei Jahren hat Mexiko eine neue Agentur für technische Zusammenarbeit eingerichtet. Warum?
Wir glauben, dass diese Agentur ein wichtiges Werkzeug für die Süd-Süd-Zusammenarbeit ist. Die Frage müsste aber eher lauten, warum wir so lang gebraucht haben, sie einzurichten. Immerhin kooperieren wir seit Jahrzehnten mit anderen Ländern des Südens. Mexiko hatte bereits im Jahr 2000 eine solche Agentur geschaffen. Aber aus bürokratischen Gründen, die weniger mit Politik, sondern mehr mit Geld und Personen zu tun hatten, wurde sie nach einem Regierungswechsel wieder abgeschafft. Diese Erfahrung hat uns gelehrt, dass wir zunächst ein ordentliches Gesetz als Grundlage verabschieden mussten.

Wie hat die Agentur Mexikos Entwicklungszusammenarbeit verändert?
Das kann man noch nicht sagen. Und um die Wahrheit zu sagen: Die vorherige Regierung war nicht besonders interessiert daran. Die Gesetzesinitiative ging nicht von ihr aus, sondern vom Parlament, vor allem von der früheren Außenministerin Rosario Green, die im Amt war, als die erste Agentur gegründet wurde. Sie konnte Abgeordnete der damaligen Regierungspartei für ihre Idee gewinnen. Jetzt ist ihre Partei, die PRI, an der Regierung – und die ist stärker an Entwicklungspolitik interessiert.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen

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erschienen in Ausgabe 11 / 2013: Kriminalität
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