Ernährungsbericht: FAO hat dazugelernt

(2.10.2013) Der neue Bericht der FAO über die globale Verbreitung des Hungers ist ein echter Fortschritt.In ihrem diesjährigen Report hat die UN-Organisation eine Reihe von Einwänden gegen ihre Methode, Hunger zu messen, und gegen ihre politischen Schlussfolgerungen aufgegriffen. Sie liefert so ein differenzierteres Bild und gezielte Ratschläge für den Kampf gegen den Hunger.

Jedes Jahr erhebt die FAO, wie viele Menschen zu wenige Kalorien für ihren Bedarf zur Verfügung haben. Das leitet sie aus der Menge der in einem Land verfügbaren Nahrungsmittel sowie aus Daten über deren Verteilung ab; die Methode ist für den Bericht 2012 verfeinert worden. Am globalen Befund hat sich seitdem wenig geändert: Der Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung sinkt – am schnellsten in Ost- und Südostasien. Noch hungern aber rund 842 Millionen Menschen, das heißt rund jeder siebte. Am höchsten ist der Anteil in Afrika südlich der Sahara.

Politische Krisen treiben die Zahl der Hungernden in die Höhe

Neu ist die Erkenntnis, dass im Nahen Osten und in Nordafrika der Anteil der Hungernden zunimmt – zum einen wegen politischer Krisen, zum anderen wegen des Anstiegs der Weltmarktpreise für Nahrungsmittel. Diese Länder sind von Nahrungsimporten abhängig. Allerdings entkräftet die FAO den Einwand, sie unterschätze die Folgen des Preisanstiegs für die Zahl der Unterernährten: Laut ihrem neuen Bericht schlagen Schwankungen der Weltmarktpreise für Nahrungsmittel nur wenig und nur verzögert auf die Konsumentenpreise in Entwicklungsländern durch.

Dagegen erkennt die FAO mit dem neuen Bericht ausdrücklich die Grenzen ihrer Berechnungsmethode an: Sie messe nur eine Dimension des Hungers, nämlich ob Nahrung verfügbar ist. Die zweite sei, ob Menschen Zugang zur verfügbaren Nahrung haben; dies ist eine Frage der Kaufkraft, messbar etwa mit der Armutsrate, sowie der Infrastruktur.

Für die dritte Dimension, die FAO nennt sie „Nutzung der Nahrung“, greift sie auf Indikatoren zurück wie Untergewicht und Kleinwüchsigkeit bei Kindern. Fachleute messen damit den tatsächlichen Ernährungsstand und weisen seit langem darauf hin, dass dies manchmal viel höhere Raten von Ernährungsmangel anzeigt als die Berechnungen der FAO.

Die FAO beurteilt den Nutzen des Wirtschaftswachstums zurückhaltend

Damit setzt sich die FAO nun auseinander. Daraus lässt sich zum Beispiel entnehmen: Wo zu wenig Nahrung verfügbar und extreme Armut verbreitet ist, hungern auch viele; hier ist Wirtschaftswachstum wichtig, dass auf einer verbesserten Landwirtschaft fußt. Wo Nahrung verfügbar ist und dennoch viele Menschen nicht gut ernährt sind, sind andere politische Eingriffe nötig.

Hier geht es etwa um Sozialprogramme, der Ausbau der Infrastruktur oder Verbesserungen der Hygiene, der Gesundheitsversorgung sowie der Qualität und Vielfalt der Nahrung. Denn wer infolge schmutzigen Trinkwassers häufig Durchfall hat, kann trotz genug Essen unterernährt sein. In Ländern wie Vietnam hingegen sind die meisten trotz großer Armut relativ gut ernährt. Hier müsse die Armutsbekämpfung stärker auf Einkommen außerhalb der Landwirtschaft setzen.

Dieses differenzierte Bild des Hungerproblems führt zu Handlungsempfehlungen, die den Umständen angepasst und damit nützlicher sind als früher. Hier hat die FAO auch die Akzente verschoben: Sie äußert sich zurückhaltender zum Nutzen des Wirtschaftswachstums und betont stärker, dass eine langfristige, an Ernährungssicherheit orientierte Politik entscheidend sei. Auch dem Ausbau der sozialen Sicherung und Geldtransfers an Arme schreibt sie mehr Gewicht zu. Damit gibt sie den Kritikern des früheren Berichts teilweise Recht. Die Debatte war offenbar fruchtbar. (bl)

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