Mitte Februar hatte die EU-Kommission ihren Entwurf für die Steuer vorgelegt. Am selben Tag und noch vor der Presseerklärung der Kommission brachte der EU-Wirtschaftsverband BusinessEurope seine „Enttäuschung“ und die „Besorgnis der Unternehmen“ zum Ausdruck. Der britische „Economist“ führte die Medien- Kampagne an, nannte die EU-Vorlage „ein Meisterstück des schlechten Designs“ und warnte vor den Folgen für die Finanzindustrie.
Die Lobbyorganisation „Globaler Finanzmarkt-Verband“ wetterte im Namen von angeschlossenen Mitgliedsverbänden aus Australien, Kanada, Japan und Südkorea in einem Schreiben an die Finanzminister der G20-Länder, das Vorhaben bedeute „bisher noch nie dagewesene Einwirkungen auf auswärtige Gebiete“. Im April reichte die britische Regierung eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein, denn das im EU-Vertrag von Lissabon vorgesehene Verfahren zur „verstärkten Zusammenarbeit“, nach dem die elf EU-Mitglieder im Alleingang die Steuer beschlossen haben, verletze wesentliche Interessen anderer EU-Mitglieder.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".Das EuGH-Verfahren richtet sich zwar nicht direkt gegen die Vorlage der Kommission, über die der Ministerrat bislang noch gar nicht entschieden hat. Es kann aber die weitere Behandlung der Steuerpläne in und zwischen den EU-Instanzen verzögern. Am 8. Mai – ausgerechnet zum jährlichen Europatag – bekräftigte BusinessEurope mit Blick auf den bevorstehenden Rat der Finanzminister in einem Brief an die EU-Regierungen noch einmal seine „außerordentlichen Besorgnisse“.
Dabei geraten die von der Finanzlobby vorgebrachten Argumente mühelos ins Absurde. So behauptet die Citibank, die Steuer werde auch Finanzmarkthändler außerhalb der Eurozone treffen: Diese müssten voraussichtlich zwölf Milliarden Euro jährlich zahlen und würden damit ein Drittel der von der Kommission erwarteten Steuereinnahmen beitragen. Gleichzeitig werde als Folge der Steuer die gesamte EU-Wirtschaftsleistung um 0,28 Prozentpunkte schrumpfen. Merkwürdigerweise entspricht diese Prognose genau dem konjunkturellen Rückgang, den die Finanzexperten der EU-Kommission für die Union voraussagen – ganz ohne Finanzmarktsteuer, die ohnehin frühestens 2015 wirksam würde.
Open Europe, eine konservative britische Denkfabrik, errechnete „5,6 Milliarden Euro Kosten für Fondsmanager“ und entwarf ein Horrorszenario, nach dem ein Drittel des Derivate-Handels im Londoner Finanzzentrum getroffen würde. Der belgische Bankenverband sagte gar allein fürs eigene kleine Land 8,5 Milliarden Euro Kosten voraus – das würde allerdings einen Umsatz von steuerpflichtigen Finanzgeschäften in Höhe des 21-fachen der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung Belgiens voraussetzen.
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