Die Grundfakten sind unstrittig: Stahl, Eisen, Aluminium und Kupfer machen rund zwei Drittel der im Auto verbauten Werkstoffe aus. In Zeiten des weltweiten Rohstoffbooms stehen Beschaffung und Mengensicherung deshalb ganz oben auf der Agenda der deutschen Hersteller BMW, Daimler und VW. Menschenrechte und nachhaltiges Wirtschaften spielen laut einer neuen Studie allerdings eine nachgeordnete Rolle. „Vom Erz zum Auto“ ist das Papier betitelt, das Misereor und „Brot für die Welt“ gemeinsam mit dem Global Policy Forum vorgelegt und im September in Berlin zur Diskussion gestellt haben.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Die deutsche Autoindustrie präsentierte sich dort als besonders problemsensible Branche, nicht als skrupelloser Rohstoffverwerter. Tatsächlich bekennen sich alle drei deutschen Autokonzerne zu den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, zu den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und zu den Prinzipien des Global Compact der Vereinten Nationen. Zusätzlich stellen sie eigene soziale, ökologische und menschenrechtliche Anforderungen an ihre Zulieferfirmen. Der Automobilindustrie-Berater Klaus Badenhausen ist überzeugt: Ob es um das Verbot von Kinderarbeit, um Umweltschutz oder um den Verzicht auf Korruption geht – die deutschen Autobauer tun ihr Bestes.
Die Lieferketten sind nur schwer zu überwachen
Doch der Brancheninsider räumt auch ein: „Die Lieferketten sind ein äußerst komplexes Geflecht“ – soll heißen: Es ist kaum möglich, die Abbau- und Verarbeitungspraktiken in den einzelnen Rohstoffländern genau zu überwachen. Die Kontrolle ist „lückenhaft“, bilanziert die Studie. Die allermeisten der Tausenden Teile eines Autos werden nicht von VW, Daimler, BMW und Co. selbst hergestellt, sondern in deren Montagehallen nur eingebaut.
Derweil fielen die Lageberichte von Mitarbeitern von Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen aus den Abbaugebieten im Kongo, in Brasilien und den Philippinen ernüchternd aus: Keiner von ihnen konnte auch nur ein einziges Abbau- oder Verhüttungsunternehmen nennen, das international vereinbarten Menschenrechts- und Umweltstandards wie etwa den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte genügt. Infomaterial zeugt von Kinderarbeit, schweren Umweltzerstörungen und von Gewalt gegen Abbaugegner, etwa Indigene, denen zur Erschließung neuer Minen ihr Land genommen wird. Beim Wettlauf um die Rohstoffe spielen nicht nur die Abbauunternehmen und ihre Abnehmer oft eine unrühmliche Rolle, sondern auch die Regierungen.
Misereor, „Brot für die Welt“ und das Global Policy Forum fordern strengere Regeln, um Ressourcenflüsse transparenter zu machen – auch in Deutschland. Sie verweisen auf den US-amerikanischen Dodd-Frank-Act, nach dem Unternehmen die Herkunft von Rohstoffen wie Zinn, Tantal oder Gold aus dem Kongo offen- legen müssen, sowie auf entsprechende Bemühungen auf EU-Ebene, mehr Licht in Zahlungsflüsse und die Herkunft von Rohstoffen zu bringen. Doch diese werden bis jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium nur zögerlich unterstützt. Und für die Unternehmen ist jede Zwangsregelung ein rotes Tuch. Sie setzen lieber auf freiwillige Selbstverpflichtungen – ungeachtet aller offensichtlichen Unzulänglichkeiten.
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