Zum Amtsantritt vor knapp zwei Jahren nannte EU-Handelskommissar Karel De Gucht die EPA-Verhandlungen einen „Scherbenhaufen“ – und daran hat sich seitdem nichts geändert. Das ursprüngliche Konzept der Europäer sah Verträge mit sechs regionalen EPA-Gruppierungen vor: den Karibik- und den Pazifik-Inselstaaten sowie mit West-, Zentral-, Ost- und dem südlichen Afrika. Die EPAs sollten der Forderung der Welthandelsorganisation auf „Gegenseitigkeit“ genügen und die bisherige Vorzugsbehandlung der AKP-Länder beim Zugang zum EU-Markt beenden.
Doch das Reißbrettschema aus Brüssel berücksichtigte weder die wirtschaftsgeografischen Bedingungen noch bereits bestehende vertragliche Beziehungen zwischen den AKP-Ländern. Die Verhandlungen mit den Ländern Zentralafrikas sind nie in Gang gekommen. Ruanda und Burundi schlossen sich der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) mit Uganda, Kenia und Tansania an mit der Folge, dass die EPA-Gruppe für das östliche und südliche Afrika schrumpfte. Von deren ursprünglich 16 Ländern hat inzwischen eine Gruppe von vier (Mauritius, Madagaskar, Seychellen, Simbabwe) ein vorläufiges Interim-EPA ausgehandelt, das am 14. Mai in Kraft trat – freilich nur auf dem Papier, weil der vertragsrechtliche Status des wirtschaftlich gewichtigsten Landes Simbabwe unklar ist. Alle vier Länder gehören auch zur Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), die damit auseinandergerissen wird. Mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft hat Brüssel ein eigenes Interim-EPA ausgehandelt, dessen Unterzeichnung jedoch die parlamentarische Versammlung der EAC blockiert; auch Tansania hat noch Vorbehalte.
Autor
Heimo Claasen
ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".Zugleich peilen De Guchts Verhandler zusätzliche Verträge mit einzelnen Ländern an, um Themen wie Investitionsschutz und Marktöffnung für Finanz- und Dienstleistungsfirmen durchzubringen – die sogenannten Singapur-Themen, zu denen die Verhandlungen mit regionalen Gruppen steckengeblieben sind. Doch die Zahl der dazu bereiten Länder hält sich in Grenzen. Auf der Frühjahrssitzung der AKP- und EU-Parlamentarier Ende Mai in Dänemark kritisierten AKP-Vertreter, dass die EU die AKP-Länder in der Frage der umstrittenen Singapur-Themen auseinanderzudividieren versuche, statt deren Bemühen um regionale Integration zu fördern, wie es das EPA-Konzept ursprünglich vorgegeben habe.
Unterdessen zeichnen sich deutliche Fortschritte in der Bildung umfassender eigener Freihandelsgruppen der afrikanischen Länder ab, die dem EU-Konzept der EPAs durchaus den Garaus machen könnten. Als 2001 erste Vorschläge laut wurden, die SADC und den seinerzeit noch wenig wirksamen gemeinsamen Markt von 21 ost- und südafrikanischen Ländern (COMESA) zu bündeln, war das reine Zukunftsmusik. Doch eine Reihe von Fortschritten in der COMESA und die wachsende Einsicht, dass die Reibereien zwischen der Zollunion des südlichen Afrika und den übrigen SADC-Ländern, die der Union nicht angehören, wohl nur in einem größeren Verbund zu überwinden wären, haben die beteiligten Regionalverbünde einander näher gebracht. 2008 legten sie in der ugandischen Hauptstadt Kampala einen Fahrplan für die Verhandlungen fest, und im vergangenen März erklärte eine Arbeitsgruppe, die Vertragstexte für eine Zoll- und eine Steuerunion seien so gut wie unterschriftsreif.
Noch eine Etage höher brachte die Afrikanische Union (AU) im Januar dieses Jahres das Vorhaben einer kontinentalen Freihandelsregion ins Spiel; der jüngste AU-Gipfel Mitte Juli in Addis Abeba terminierte den Start auf 2017. Auch wenn das wohl zu ehrgeizig ist, wird sich die Europäische Union auf eine deutlich veränderte handelspolitische Landschaft in Afrika einstellen müssen. An Brüssel freilich scheint das spurlos vorüberzugehen: Die EU-Kommission bemüht sich stattdessen um das nächste bilaterale Handelsabkommen, diesmal mit Kap Verde.
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