Oasen für den Urlaub

Viele Hotels und Resorts werben mit großen Parks, Schwimmbädern oder Golfplätzen um wohlhabende Besucher. Dafür wird sehr viel Wasser gebraucht. Und das kann in trockenen Gebieten wie auf der Insel Sansibar auf Kosten der Einheimischen gehen.

Maria, das Zimmermädchen, putzt. Wasser rauscht, als die blonde Bulgarin Waschbecken und Dusche säubert. Maria reinigt die Hotelräume jeden Tag und tauscht täglich die Handtücher gegen frische aus. Die Gäste erwarten das, ebenso wie sie es für selbstverständlich halten, dass trotz Strandnähe jedes Hotel einen eigenen Swimmingpool hat. Zum Urlaub gehört neben Sonne und Meer auch Süßwasser im Überfluss.

Für die Bevölkerung der bulgarischen Küstenregion ist ausreichend Wasser nicht so selbstverständlich. Die Hitzewelle des Sommers 2012 lässt die Felder ausdörren, sie müssen bewässert werden. Viel von dem Leben spendenden Nass versickert durch marode Leitungen. Trinkwasser wird knapp – auch in der Provinz Burgas am Schwarzen Meer. Hier liegt nicht nur die Stadt Burgas, sondern auch Sonnenstrand. Die Hotelstadt hat 80.000 oder mehr Betten plus Ferien-apartments mit wenigstens 35.000 Betten. Genau beziffern lässt sich das nicht, denn offiziell ist Sonnenstrand keine Stadt, sondern ein Resort. Im August ist dieses Urlaubszentrum, in dem auch Maria arbeitet, voll ausgebucht. Die zumeist ausländischen Pauschalurlauber trifft die Wasserkrise nicht.

In Europa ist Wasser vor allem in Bulgarien, Italien, Malta, Spanien und Zypern knapp. Diese Länder verbrauchen nach Angaben der Europäischen Union (EU) derzeit jährlich mindestens 20 Prozent ihrer nur langfristig erneuerbaren Wasservorräte. Das hat vor allem mit dem Wasserbedarf von Industrie und Landwirtschaft zu tun. Aber auch der Tourismus – so steht es etwa im 2012 veröffentlichten United Nations World Water Development Report – trägt dazu bei, dass die Wasserreserven schwinden. 

Autorin

Anja Ruf

ist freie Journalistin in Frankfurt am Main.

Daran ist nicht nur der Massen- und Pauschaltourismus, sondern auch der Prestigetourismus schuld. Die sogenannte Qualitätswende im Tourismus auf Mallorca bezeichnete ein Artikel in der „tageszeitung“ 2008 als „Besetzung von Raum für den egoistischen Nutzen“. „Meine Finca, meine Jacht, mein Golfplatz – so urlauben die Schönen und Reichen“, titelte ein Reisemagazin im Februar 2013 über Urlaubsorte von Prominenten auf der Insel. Große Mengen Wasser verschlingen sowohl das Gartengrundstück um die Luxusfinca als auch der grüne Rasen der Golfplätze. Mit der Ausbreitung dieser Tourismusformen ins Landesinnere hinein haben der Landschaftsverbrauch und die zu bewässernde Gartenfläche stark zugenommen – und damit der Wasserverbrauch pro Urlauber und Tag. Er ist beim Prestigetourismus höher als beim Massentourismus, das zeigt auch eine Studie der Ruhr-Universität Bochum. Doch um wie viel genau und was das für den absoluten Wasserverbrauch heißt, darüber liegen keine Erhebungen vor – weder für Mallorca noch für den Rest der Welt. Überhaupt ist die Datenlage zum Wasserkonsum im Tourismus dürftig, wie Eurostat, das Statistikbüro der Europäischen Kommission, in einer 2009 veröffentlichten Pilotstudie festgestellt hat. Eurostat geht aber davon aus, dass der Wasserverbrauch rapide zunehmen wird, da die Touristen immer höhere Ansprüche an Komfort stellen.

Das Konzept, dass ein Urlaub umso hochwertiger sei, je mehr Raum und Wasser zur Verfügung stehen, färbt vom Prestigetourismus auf den Massentourismus ab. In Tunesien etwa kommen auch Pauschaltouristen in den Genuss riesiger parkähnlicher Außenanlagen. Von Kreta bis Kenia ist die Gartenanlage mit Süßwasserpools zum Symbol für einen entspannten Urlaub geworden – und zum Statussymbol. Wenn die Grundwasserspiegel in der Umgebung der Resorts sinken, bemerken das die Touristen in den Urlauber-oasen mit ihrer künstlichen Vegetation nicht, aber die lokale Bevölkerung bekommt es zu spüren.  

„Water Inequity“ – dieser Begriff bezeichnet das Ungleichgewicht zwischen Touristen und lokaler Bevölkerung beim Zugang zu und Verbrauch von Wasser. Die britische nichtstaatliche Organisation (NGO) Tourism Concern hat im Juli 2012 einen Bericht veröffentlicht, der große Wasserungerechtigkeit insbesondere im globalen Süden feststellt: In vielen Touristenorten bedeuteten der Mangel an Infrastruktur sowie an Fähigkeiten und Ressourcen des Staates, dass lokale Gemeinschaften kämpfen müssen, um ihren täglichen Wasserbedarf zu decken. Zur gleichen Zeit verbrauchten benachbarte Hotels und Resorts große Mengen von Wasser für den Zimmerservice und die Pflege von landschaftlich gestalteten Gärten, Swimmingpools und Golfplätzen.

Tourism Concern hat dazu fünf Fallstudien in vier Ländern gemacht – alle in Küstenregionen, da sich dort der Fremdenverkehr am intensivsten entwickelt. Die Ergebnisse aus Bali, Gambia, Sansibar und Indien belegen, dass die Aneignung, Verschwendung und Verschmutzung von Wasser durch einen kaum oder schlecht regulierten Tourismus die Umwelt gefährdet und die Lebensgrundlagen und Entwicklungsmöglichkeiten lokaler Gemeinschaften unterminiert.
Ein Beispiel sind die Hausboote für Touristen im südindischen Bundesstaat Kerala. Dort zieht sich ein Netz von Süßwasserkanälen, Seen, Lagunen und Flüssen durch das Hinterland der Küste. Die Boote sind nicht mit kleinen traditionellen Fischerbooten zu vergleichen, sondern eher schwimmende Hotels mit mehreren Schlafzimmern, Klimaanlagen und manchmal sogar Swimmingpools. Sie  verschmutzen das Wasser mit Motoröl, Abwässern und Abfällen; der Ölfilm lässt Fische und Garnelen sterben, und das Wasser verliert seine Trinkwasserqualität.

Als fair zertifizierte Reisen unterliegen nicht immer den Standards für Wasserverbrauch

In den meisten Fällen aber graben Hotels und Resorts lokalen Gemeinschaften das Wasser ab. Im indischen Goa etwa stehen laut Tourism Concern den 1785 Litern Wasser, die der Gast eines Fünf-Sterne-Resorts im Durchschnitt täglich verbraucht, 14 Liter gegenüber, die ein Anwohner nutzen kann. Besonders krass ist das Missverhältnis nach Angaben von Tourism Concern in Sansibar, dem vor Tansania gelegenen Archipel im indischen Ozean: Dort konsumieren die Gäste von Luxushotels bis zu 3195 Liter Wasser pro Raum und Tag, während ein durchschnittlicher lokaler Haushalt 93,2 Liter verbraucht. Wie auch in Goa sind hier die Grundwasserspiegel gesunken, seit der Tourismus sich entwickelt hat. Die Hotels holen sich ihr Wasser zum Teil aus selbst gebohrten Brunnen. Unter dem frischen Grundwasser liegt in Sansibar aber Salzwasser, das aufsteigen und sich mit dem Süßwasser vermischen kann, wenn davon zu viel abgepumpt wird.

In Nungwi auf Sansibar müssen die Bewohner nach Angaben von Tourism Concern ihr Wasser mittlerweile aus einer 20 Kilometer entfernten Stadt herbeitransportieren lassen. Hier und in Kiwengwa pa-trouillieren an Hotelpipelines Wächter, um wütende Anwohner daran zu hindern, sie zu zerstören. Im Dorf Jambiani starben 2010 mehrere Bewohner an verschmutztem Wasser. Denn als es drei Monate lang keinen Strom gab und die Pumpen, die frisches Wasser in die Leitungen pumpen sollten, nicht mehr arbeiteten, tranken die Menschen Brunnenwasser. Cholera brach aus – vermutlich weil das Brunnenwasser mit Abwässern eines nahe gelegenen Hotels verschmutzt war.

Einen Urlaub in Sansibar kann man zum Beispiel bei TUI buchen, dem größten Touristikkonzern Europas. Weiß das Unternehmen um die Wasserkonflikte im Urlauberparadies? „Nein, diese Vorfälle sind uns nicht bekannt“, antwortet Mareike Opolka von der Unternehmenskommunikation. Sie merkt an, dass es sich „bei der Destination Sansibar für TUI um einen sehr kleinen Markt handelt, in dem wir keine eigenen Hotelmarken oder -beteiligungen besitzen“. Auch von einem Workshop des Mwambao Coastal Community Network, einer örtlichen Organisation, mit Vertretern von Hotels, lokalen Gemeinschaften und der Wasserbehörde hat Opolka keine Kenntnis. Zu dem Workshop im Oktober 2012 in Sansibar hatte Tourism Concern nach eigenen Angaben auch TUI eingeladen. „Es kann durchaus sein, dass einzelne Hotelpartner, von denen TUI Zimmerkontingente anbietet, eigenständig an dieser Konferenz teilgenommen haben. Uns liegen darüber keine Informationen vor“, sagt Mareike Opolka.

Dennoch ist Wasser für TUI ein Thema. Im Rahmen eines „Sustainability Holiday Plan“ hat sich die gesamte TUI-Gruppe ein Ziel zum Wasserverbrauch bei eigenen Hotelmarken des Konzerns gesetzt: Bis September 2014 sollen dort durchschnittlich 400 Liter pro Person und Nacht verbraucht werden. Das ist wenig, verglichen mit dem Konsum der Luxushotels in den Fallstudien von Tourism Concern, liegt aber über dem Verbrauch der Bundesbürger in Deutschland (2010 waren es 121 Liter).

Indirekt versucht TUI, auch über die eigenen Hotelmarken hinaus den Wasserkonsum zu beeinflussen. Aus der TUI-internen Beratung für Hotels ist das Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen blueContec entstanden, das Hotels dabei unterstützt, Energiekosten zu sparen und den Wasserverbrauch zu verringern. Der Geschäftsführer von blueContec, Andreas Koch – früher der Umweltbeauftragte von TUI –, bestreitet nicht, dass es Fälle geben könne wie die von Tourism Concern geschilderten. Er sieht jedoch „viele Hotels in Bewegung“. Sein Unternehmen hat Hotels nicht nur in Europa, sondern auch in der Dominikanischen Republik und Ägypten beraten. Es arbeitet dabei oft nach dem „Green-For-Free-Prinzip“: Es lässt sich nur aus Anteilen der tatsächlich erzielten Energie- und Wasserkosteneinsparungen bezahlen.

Erzielt werden sie nicht nur durch die Installation wassersparender Technologie in Hotels. Für Gartenanlagen, sagt Koch, sind Pflanzen vorteilhaft, die trockenes Klima gewohnt sind. Am besten versorge man sie mit unterirdischen Bewässerungssystemen in den frühen Morgen- oder den Abendstunden. Golfplätze wie auch Gartenanlagen ließen sich sehr gut mit Brauchwasser bewässern. TUI-Sprecherin Mareike Opolka räumt allerdings ein: „Bei der Auswahl unserer Golfpartnerplätze gehen wir (noch) nicht mit gezielten Kriterien in puncto Umweltstandards vor.“ 

Auf welchem Platz sie golfen und ob überhaupt, entscheiden letztlich die Urlauber. Das Reiseportal www.fairunterwegs.org des Arbeitskreises Tourismus & Entwicklung in Basel gibt Reiselustigen Tipps für ihre Buchungsentscheidungen: „Bevorzugen Sie Angebote, bei denen der Wasserverbrauch maßvoll ist. Auf Inseln und überall dort, wo das Süßwasser rar ist, bietet das Hotel Ihrer Wahl keine eigenen Golfplätze oder Wasserparks, Süßwasserpools und bewässerungsintensive Grünanlagen.“

Wer solchen Ratschlägen folgt, wählt sicher nicht Golfen unter Palmen in 1150 Hektar großen Parkanlagen am Strand von Mauritius. Solche Angebote findet man bei Kuoni, dem führenden Schweizer Tourismusunternehmen. Davon hebt sich am deutlichsten die fair gehandelte Südafrika-Reise ab, die Kuoni auch im Programm hat. „Die Betriebe operieren in einer nachhaltigen und verträglichen Weise mit ihren Nachbargemeinden und der Natur“, bewirbt der Konzern die Reiseunterkünfte. Übernachtungen in Wasser verschlingenden Resorts gibt es bei Fair- Trade-Reisen nicht. Stattdessen schläft man in Lodges, Cottages, Farm- oder Stadthäusern.

Zertifiziert sind diese Reisen von der Non-Profit-Organisation Fair Trade in Tourism South Africa (FTTSA). In deren Zertifizierungsstandards taucht „Wasser“ dennoch nur am Rande auf: FTTSA-zertifizierte Unternehmen müssen sicherstellen, Wasser nicht zu verschwenden, ihren Konsum überwachen und Maßnahmen ergreifen, ihn zu minimieren. Das klingt wenig konkret. Die Standards werden jedoch, teilt FTTSA mit, gerade überarbeitet. Zu wünschen ist, dass die Frage des Wasserverbrauchs darin künftig mehr Gewicht bekommt. 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2013: Wasser

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