Die Zivilisationen des afrikanischen Kontinents wurden von den europäischen Kolonialmächten jahrhundertelang nicht zur Kenntnis genommen. Mit ihrem Buch "Eine afrikanische Geschichte Afrikas" schließt die sudanesisch-britische Journalistin Zeinab Badawi diese Lücke.
Afrika galt in Europa lange Zeit als Kontinent ohne Geschichte. Es hieß, die afrikanischen Völker lebten als Jäger und Sammler auf einem zivilisatorischen Niveau, das keine geschichtlichen Abläufe kannte. Als europäische Reisende beispielsweise im südöstlichen Afrika auf die Ruinenstätten des Reichs von Groß-Simbabwe stießen, mochten sie nicht glauben, dass diese zivilisatorische Leistung von Afrikanern vollbracht worden war, berichtet die sudanesisch-britische Journalistin Zeinab Badawi. Also behaupteten sie, die monumentalen Gemäuer seien nicht afrikanisch, sondern von einer inzwischen erloschenen Einwanderergruppe aus Asien oder Südeuropa errichtet worden. Ebenso verfuhr man mit anderen afrikanischen Reichen. Die großartigen Zivilisationen im Norden des Kontinents, vor allem die ägyptische, blendete man systematisch aus. Lediglich Äthiopien genoss eine gewisse Anerkennung, weil es als christliches Königreich bekannt war.
Obwohl in Afrika die mündliche Überlieferung eine große Rolle spielt, wurde sie in den Schulen des Kontinents bis vor wenigen Jahren völlig außer Acht gelassen. So paukten während der Kolonialzeit afrikanische Kinder in den Schulen die Geschichtszahlen der europäischen Eroberer; über ihre eigene Vergangenheit erfuhren sie aber nichts.
Die Behauptung vom geschichtslosen Kontinent ist längst wissenschaftlich widerlegt. Bereits im Jahr 1964 wurde von der UNESCO das noch nicht abgeschlossene Großprojekt „General History of Africa“ gestartet, an dem mehr als 230 Historiker und andere Wissenschaftler aus vielen Ländern beteiligt waren und sind. Dennoch hat sich bis heute, über 60 Jahre nach der Dekolonisierung, an den mangelhaften Kenntnissen über die Geschichte Afrikas nicht viel geändert.
Sieben Jahre der Recherche in fast ganz Afrika
Dem hilft die Autorin jetzt ab. Sie hat über sieben Jahre lang fast den gesamten Kontinent bereist und zusammengetragen, was sie vor Ort in Museen, Universitätsbibliotheken und Archiven sichten konnte, darüber hinaus hat sie unzählige Interviews mit Fachleuten, Politikern und Ältesten sowie religiösen Persönlichkeiten geführt.
Herausgekommen ist ein gut lesbares, spannendes, durch und durch seriöses Werk, das man am liebsten an einem Stück durchlesen würde, bestünde es nicht aus über 500 eng bedruckten Seiten.
Badawi beschreibt die Zivilisationen im alten Ägypten und im Reich von Kusch im nördlichen Sudan, wo sich ebenfalls Reste von Pyramiden finden, die noch kaum erforscht sind. Sie weist auf die mythologische Königin von Saba hin, die wir aus der Bibel kennen. Königin Sheba, wie sie in Äthiopien genannt wird, gilt als die Urmutter des dortigen Königtums. An der frühen Christianisierung Äthiopiens im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zeigt die Autorin auf, dass das zivilisatorische Niveau zu jener Zeit dem europäischen ebenbürtig war.
Der schlafende Riese ist erwacht
In der Geschichte des Kontinents lässt sie kein wichtiges Ereignis aus: von der Ausbreitung des Islams und den Dynastien Nordafrikas über die westafrikanischen Königreiche mit ihren großartigen Bronzekunstwerken, um deren Rückgabe derzeit gestritten wird, bis hin zur düsteren Epoche des Sklavenhandels und dem Freiheitskampf, der zur Dekolonialisierung führte.
Mit dem Bericht über die Abschaffung der Apartheid in Südafrika schließt das Werk mit einer hoffnungsvollen Note. Zeinab Badawi ist überzeugt, dass der „schlafende Riese Afrika“ erwacht ist und einer positiven Zukunft entgegensieht.
Nicht unerwähnt bleiben soll die ausgezeichnete Übersetzung aus dem Englischen von Henning Dedekind und Elsbeth Ranke, die dazu beiträgt, das Buch zu einer erfreulichen Lektüre zu machen.
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