Die Ahninnen der Menschheit

Léonora Miano: Sisterhood. Für einen anderen Dialog zwischen den Frauen der Welt. Aufbau Verlag, Berlin 2022, 251 Seiten, 22 Euro

In ihrem Buch beschreibt die kamerunische Schriftstellerin Léonora Miano Perspektiven afrikanischer Frauen auf den Feminismus. Das könnte eine Bereicherung sein, ist aber leider teilweise unausgereift.

Kritik am europäischen und US-amerikanischen Feminismus aus dem globalen Süden gibt es inzwischen zuhauf. Schwarze US-amerikanische, lateinamerikanische, karibische und arabische Frauen stoßen sich an einem „weißen“ Feminismus, der aus ihrer Sicht zu lange allein die Agenda gesetzt und ihre Perspektiven ausgeblendet hat. Seit Jahren bringen sie, oft in wütenden Anklagen, ihre eigenen Anliegen wie vor allem die strukturelle Ungleichheit zwischen Norden und globalem Süden vor. 

In 14 Kapiteln erzählt die aus Kamerun stammende Autorin von den Erfahrungswelten von Afrikanerinnen südlich der Sahara. Sie beschreibt das Leben von Frauen vor der Kolonialzeit, die in keiner europäischen Geschichtsschreibung vorkommen. 

Die einstigen Freiheiten afrikanischer Frauen

Bei alldem bleibt teilweise unklar, auf welche Recherchen sie sich genau stützt. Frauen, die durchaus auch Macht hatten wie etwa die Zulu-Prinzessin Mkabayi, oder sich das Recht herausnahmen, ihre Sexualität frei auszuleben, wie in der Volksgruppe der Bassa in Kamerun. Hier war es verheirateten Frauen erlaubt, sich einen Liebhaber zu nehmen, den der Ehemann kannte. Die Kinder aus dieser Verbindung gehörten dann zum Haushalt des Ehemannes. 

Die Fang-Beti in Kamerun, Gabun und Äquatorialguinea kannten Weiblichkeitskulte, bei denen die Liebe unter Frauen gefeiert wurde. Unter die Räder sind diese Kulte nicht erst mit den christlichen Kolonisatoren gekommen, sondern schon als arabische Händler und Fürsten auf dem afrikanischen Kontinent den Islam verbreiteten. Dabei kritisiert Miano auch die afrikanischen Feministinnen von heute, die sich zu sehr von ihren Wurzeln entfernt hätten.

Frauen können Leben gebären

Die Autorin beschreibt, wie sie sagt, Frauen, die nicht den Männern gleich werden wollen, „sondern sich nach den eigenen Wünschen ihre Freiheit und Entfaltung“ erobern. So plädiert sie für einen Feminismus, der stärker auf Differenz zu den Männern besteht, als es etwa in Europa und den USA heute der Fall ist. Afrikanische Frauen seien der Ursprung des Lebens, die „Ahninnen der Menschheit“, wie sie schreibt, und stärker als Männer. Sie könnten Leben gebären, das ist ein starkes Motiv im Buch, und dieses Motiv würde in vielen afrikanischen matriarchalen Kulten aus der Zeit vor der Kolonialherrschaft auf vielfältige Weise beschworen. Europäischer Feminismus heute betone dagegen, dass Biologie (Gebärenkönnen) eigentlich keine Rolle spiele und Geschlechterrollen sozial konstruiert seien (Judith Butler).

Die Sichtweise Mianos ist spannend und kommt in der globalen Geschichte des Feminismus nur am Rande vor. Allerdings ist vieles an ihren Beobachtungen ungenau und pauschal, etwa wenn sie über nicht wahrgenommenen islamischen Rassismus spricht, der sehr wohl in manchen arabischen Gesellschaften wie zum Beispiel in Tunesien heute thematisiert wird. 

Als Leserin wüsste man gerne, warum ihrer Ansicht nach die afrikanischen Feministinnen von heute „dem Okzident verhaftet“ sind und wen sie damit genau meint. Für ihre Beschreibungen matriarchal geprägter Kulte wünscht man sich mehr Quellen, um das nachvollziehen zu können. Und sprachlich finden sich neben den üblichen feministischen Schlagwörtern auch Wortungetüme wie etwa die Rede von einer „zivilisationellen Solidarität“, die nicht näher erläutert wird. Das ist schade, denn es nimmt dem Buch viel von seiner Wucht. Schließlich plädiert Miano dann auch für eine neue Schwesternschaft zwischen Frauen aus Subsahara-Afrika und Frauen aus dem globalen Norden, ohne auch nur andeutungsweise zu benennen, wie diese aussehen könnte.

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