Vielfalt weiblicher Ausdrucksformen

Christa Morgenrath und Eva Wernecke (Hrsg.): Neue Töchter Afrikas. 30 Stimmen. Unrast Verlag, Münster 2023, 256 Seiten, 22 Euro

Die Anthologie stellt mehrere Autorinnen afrikanischer Herkunft vor. Migration und Diaspora sind verbindende Themen.

Der Titel ist Programm: Im Mittelpunkt stehen junge, aufstrebende Schriftstellerinnen, deren Freude am Schreiben aus jeder Zeile dieses Buches spricht. Programmatisch ist auch die Kooperation der Herausgeberinnen Christa Morgenrath und Eva Wernecke – beide arbeiten in der Literaturvermittlung für Stimmen Afrikas in Köln – mit schwarzen Kuratorinnen. Gemeinsam haben sie Autorinnen aus dem Band „New Daughters of Africa“ ausgewählt. Diese englischsprachige Publikation baut auf „Daughters of Africa“ auf, den 1992 veröffentlichten Meilenstein der afrikanischen Literatur. Beide Werke wurden von Margaret Busby ediert. Nun kommt die nächste Generation weiblicher Literaturschaffender zum Zuge.

In unterschiedlichen Gattungen – von Essays über Kurzgeschichten bis zu Gedichten – widmen sich die Autorinnen autobiografischen und zentralen menschlichen Themen. Es geht um komplexe transkontinentale Familiengeschichten, Brüche im Generationenverhältnis durch Migration, schwere Krankheiten, Kritik an Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Streben nach Bildung, Identität in der Diaspora, Rassismus und Widerstand. Gelegentlich schimmern politische Missstände durch, die zur Flucht aus repressiven Regimen führen.

Die Scham, Flüchtling genannt zu werden

So bei der Dichterin und Menschenrechtsaktivistin Ketty Nivyabandi aus Burundi. Weil sie Frauenproteste in ihrer Heimat organisierte, geriet sie ins Visier staatlicher Gewalttäter, inzwischen ist sie nach Kanada geflohen und leitet dort die nationale Sektion von Amnesty International. Erinnerungen an Geräusche, Gerüche und Farben in ihrer Heimat beschreibt sie so anschaulich und sinnlich, dass man sich in ihr früheres Zuhause hineinversetzt fühlt. Das kontrastiert sie mit dem erzwungenen Exil und der Scham, dort Flüchtling genannt und wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden.

Auch aus Ägypten kommt eine regimekritische Stimme zu Wort. Es ist die mutige feministische Ärztin Nawal El Saadawi, die Kritik sowohl an der einstigen britischen Kolonialmacht als auch an Politikern und religiösen Autoritäten in Kairo auf den Punkt bringt. Die Folgen waren Redeverbot und Gefängnishaft. Danach kämpfte sie dennoch weiter für Frauenrechte und gegen die Genitalbeschneidung von Mädchen, zudem schrieb sie Kurzgeschichten und Theaterstücke. In grundlegenden Reflexionen über Religion und Macht in der Geschichte Ägyptens verbindet sie Episoden aus ihrer Familiengeschichte mit politischen Umbrüchen in der Nilmetropole.

Erziehung zur Untertänigkeit

Mit Blick auf Familienkonstellationen rechnen einige Autorinnen mit ihren Müttern und weiblichen Verwandten ab, von denen sie zur Untertänigkeit gegenüber Männern erzogen wurden. Dabei müssten Mädchen klare Grenzen setzen können, damit männliche Verwandte und Arbeitgeber der Mütter sie nicht missbrauchen. Ganz selten kommen in den Texten sorgende Väter vor, etwa in der Kurzgeschichte der sambischen Schriftstellerin und Filmemacherin Ellen Banda-Aaku, die sich daran erinnert, wie sie als kleines Mädchen mit ihrem Vater immer wieder dessen Mutter in einem heruntergekommenen Hochhaus besucht hat. Das Kind erlebt, wie seine Oma schleichend dement wird, dennoch hängt es sehr an ihr. Der Vater knüpft während solcher Besuche bei seiner zunehmend desorientierten Mutter liebevoll weiter emotionale Bande zwischen den Generationen, den Umzug in ein Seniorenheim kann er ihr aber nicht ersparen. Überforderung mit dieser Situation und Abschiednehmen werden aus der Sicht des Kindes beschrieben.

Insgesamt zeigt die Anthologie exemplarisch das große Spektrum des literarischen Schaffens von Autorinnen afrikanischer Herkunft. Sie benennen Widersprüche und fordern zu Widerstand gegen Unrecht auf, wofür Lesende ihnen nur danken können. 

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