Die Forscherinnen Sarah Smith und Keina Yoshida lassen in ihrem Buch "Feminist Conversations on Peace" Friedensaktivistinnen aus Krisenregionen und Nachkriegsländern zu Wort kommen.
Die Herausgeberinnen forschen an der London School of Economics zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Ihr Sammelband besteht aus Gesprächen von Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen über Vorstellungen von Frieden. Die Frauen leben in unterschiedlichen Ländern und politischen Systemen, vom Kosovo über Palästina und Pakistan bis hin zu Japan. Sie kamen zumeist online zusammen und dokumentierten ihre Erfahrungen und Analysen in Konfliktzonen und Nachkriegsgesellschaften.
Einzelne sind nach Westeuropa geflohen, wo sie heute leben und die Beteiligung europäischer Länder an Kriegen und Waffenexporten skandalisieren. Denn nach dem Abschluss offizieller Friedensverträge herrscht vielerorts eine militaristische Gewaltordnung, die Frauen bedroht. Beispiele dafür sind Länder auf dem Balkan und in Zentralafrika. Eskalierte geschlechtsspezifische Gewalt durch Militarismus betreffe auch den weltweiten Ausbau von Militärbasen der Großmächte, etwa im Pazifik. Somit sei die Arbeit feministischer Friedensaktivistinnen notwendig, da sie lokal und global verwobene patriarchale Macht- und Herrschaftsansprüche überwinden wollen, die Kriegstreiber und -profiteure immer wieder leicht verstärken können. Davon berichten Frauen aus Äthiopien und Kolumbien.
Alle Beiträge stellen klar, wie wichtig Landverteilung, Klimagerechtigkeit, Ressourcenschutz, Überwindung struktureller Unterdrückung und globaler wirtschaftlicher und neokolonialer Ungleichheiten für einen nachhaltigen Frieden sind. Zur langen Liste des feministischen Friedensaktivismus zählen deshalb neben Pazifismus auch Frauenproteste gegen (Neo)Kolonialismus, Rassismus und extraktive Industrien wie den Bergbau oder die Plantagenwirtschaft, die mit ihren bewaffneten Sicherheitsdiensten die Militarisierung ganzer Regionen vorantreiben.
Militäretats reduzieren, Sozialausgaben und Frauenförderung erhöhen
Einige Aktivistinnen weisen auf regionale Friedensabkommen hin, die in der eurozentrischen Wahrnehmung oft unbeachtet bleiben. Dazu zählt das Maputo-Protokoll der Afrikanischen Union für Frauenrechte in Afrika, das afrikanische Regierungen auffordert, Militäretats zu reduzieren und die Sozialausgaben sowie die Frauenförderung zu erhöhen. Mit Blick auf Religionen kommen Friedensvorstellungen im Islam zur Sprache. Für europäische Machthaber gelte höchstens eine christliche Friedensethik, Friedenspotenziale aller anderen Religionen würden weitgehend ignoriert. In Lateinamerika vereinen Aktivistinnen Friedensarbeit mit dem Erhalt von Ökosystemen und prangern die Verflechtungen zwischen internationalen Konzernen und Politikern an, die nicht zuletzt zur weiter eskalierenden Bedrohung von Umweltaktivistinnen führen.
Kritisch bewerten Friedensexpertinnen die UN-Resolutionen zu Frauen, Frieden und Sicherheit, denn mit Frauenquoten könnten keine Strukturveränderungen erzielt werden. Umso wichtiger seien Friedensvorstellungen, die Ungleichheit und Unterdrückung, etwa von ethnischen Minderheiten, anprangern. Deshalb bauen Aktivistinnen auf vernetztes Friedensengagement und die konstruktive Auseinandersetzung mit Unterschieden zwischen Frauenorganisationen. Für sie ist Frieden ein Prozess, an dem sie fortwährend arbeiten. Der lesenswerte Sammelband reflektiert eindrucksvoll verfehlte internationale Planungen und stellt ihnen Friedensvorstellungen von Frauen entgegen, die sich selbst als politische Akteurinnen auf mehreren Ebenen verstehen.
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