Der Sammelband der Zeitschrift „Frauen*solidarität“ aus Wien lädt zur Debatte über feministische Außen- und Entwicklungspolitik ein und gibt Aktivistinnen aus Afrika, Asien und Lateinamerika das Wort.
Das Buch hat einen Anlass: Vor vierzig Jahren haben Kritikerinnen der damaligen österreichischen Außenpolitik und Entwicklungshilfe die „Frauen*solidarität“ gegründet, eine zivilgesellschaftliche Organisation mit einer Zeitschrift gleichen Namens. Die thematisiert seither internationale Ungleichheit aus Frauensicht; Autorinnen aus Ländern des globalen Südens und Migrantinnen prägen das Blatt.
Ihre Standpunkte stehen im Zentrum des Sammelbands mit Kapiteln zu (Anti-)Rassismus und Postkolonialismus, Gewalt, Reproduktion, Politik, Arbeit, Umwelt und Klima. Alle Texte sind kurz und anschaulich geschrieben und laden zum weiteren Nachdenken ein. Dazu geben die Autorinnen entsprechende Lesetipps.
Einen Länderschwerpunkt bildet Kolumbien. Schon früh hat sich die Frauensolidarität mit der Ausbeutung dortiger Blumenarbeiterinnen befasst und die gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen in der Blumenindustrie skandalisiert. Beharrlich setzte sich FIAN in Österreich und Deutschland für Strukturreformen ein, insbesondere für gesundheitliche Verbesserungen auf den Plantagen. Es ging um Arbeits- und Mutterschutz und zwar nicht nur in Kolumbien, sondern auch in Ostafrika. Das hat zu einigen Verbesserungen geführt, wobei auch die Käuferinnen in Europa in die Pflicht genommen wurden. Inzwischen gibt es fair gehandelte Rosen, aber ihr Anteil an der internationalen Schnittblumenindustrie müsste noch weiter steigen. Mehrere Beiträge widmen sich der kolumbianischen Frauenbewegung, sie zeigen exemplarisch Etappen der historischen Entwicklung auf – auch während und nach dem Bürgerkrieg, in dem Aktivistinnen von Paramilitärs umgebracht wurden und manche sich den Guerillas anschlossen.
Ein Museum für Menschenrechte von Frauen
Heute wollen Feministinnen die Erinnerungspolitik mitgestalten, dazu haben sie ein vorbildliches Museum zum Gedenken an weibliche Kriegsopfer und für Menschenrechte von Frauen aufgebaut. Zudem setzen sie sich für Umweltschutz ein, was angesichts der Bedrohung von Engagierten gefährlich ist. Denn sie bringen Ressourcenkonflikte um die Reichtümer des Landes in die größere Öffentlichkeit.
Feministische Standpunkte im zivilgesellschaftlichen Engagement erläutern die Autorinnen auch am Beispiel Chile. Sie berichten über indigene Interessenvertretungen und über Frauenproteste gegen Polizeiübergriffe während Massenprotesten gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik und für eine neue Verfassung. In Argentinien wiederum mobilisiert die vielerorts tödliche Gewalt an Frauen seit Jahren Aktivistinnen zur Gegenwehr. Sie bewerten Femizide als strukturelles Problem, dementsprechend mühsam ist der Kampf dagegen.
Reproduktive Rechte, Müttergesundheit und Gewalt sind die zentralen Themen im aufschlussreichen Beitrag über Afghanistan. Darin geht es um den mutigen Widerstand von Frauen und deren Lebensumstände auf dem Land und in den Städten. Nicht zuletzt weil Frauenleben und -proteste in politischen, historischen und ideologischen Zusammenhängen erklärt werden, ist dieser leicht verständliche Sammelband lesenswert.
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