In seinem Buch zeigt der Politikwissenschaftler Peter Rudolf, dass das Konzept der nuklearen Abschreckung heute wieder eine bedeutende Rolle spielt –- nicht nur in den Beziehungen zwischen den USA und Russland, sondern auch zwischen den USA und China.
Der Autor macht im Verlauf des Buches deutlich, dass nukleare Abschreckung nur funktioniert, wenn ein Land glaubwürdig vermitteln kann, unter bestimmten Bedingungen tatsächlich dazu bereit zu sein, Atomwaffen als erstes gegen ein anderes Land einzusetzen. Wie wirksam eine solche Strategie letztlich ist, kann nach Ansicht des Autors allerdings nicht empirisch verifiziert werden – Politikerinnen und Politiker äußern sich nur verhalten zu dem Thema. Deshalb hat das Konzept der nuklearen Abschreckung laut Rudolf ideologischen Charakter; sein Buch sieht er als Anstoß, die Sinnhaftigkeit der nuklearen Abschreckung wieder verstärkt zu diskutieren.
Das reißerische Titelbild, auf dem ein Atompilz abgebildet ist, steht dabei im Gegensatz zum sonstigen Stil des Textes. Denn der Politikwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin bedient sich eines ganz und gar wissenschaftlichen Schreibstils: Alle Fakten sind seriös recherchiert und gewissenhaft mit Quellen belegt. Allerdings ist das Buch durch die nuklearstrategische Fachsprache etwas trocken. Auch wenn Rudolf die Bedeutung der meisten – englischsprachigen – Fachbegriffe erläutert, kann es schwierig für Laien sein, sich deren Bedeutung für den weiteren Verlauf zu merken. Die Liste der Begriffe ist lang: Counterforce, Launch under Attack, Fall Out Threshhold, War-sustaining-Objects und viele mehr. Das Buch eignet sich deshalb vor allem für Personen, die sich schon intensiv mit sicherheitsstrategischen Fragen beschäftigt haben.
Die technischen Möglichkeiten zum Atomschlag bestehen bewusst fort
Aber auch wer ein generelles Interesse an diesen Themen hat, lernt einiges über vergangene und aktuelle Strategien der Großmächte USA, Russland und China. Der Autor bettet aktuelle strategische Überlegungen der Atommächte gut in historische Entwicklungen ein. So erläutert er zum Beispiel, dass der Diskurs um einen potenziellen Atomschlag in den US-amerikanisch-russischen Beziehungen zwar nach Ende des Kalten Krieges 1991 abgeebbt ist, die technischen Möglichkeiten zum Angriff jedoch auf beiden Seiten bewusst fortbestehen.
Interessant ist auch das Kapitel zu Deutschland, das nachvollziehbar erklärt, welche Möglichkeiten sich durch die nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO ergeben – immerhin sind US-amerikanische Atomwaffen auch in Deutschland stationiert. Die Ampel-Regierung schließt einen Abwurf von Atomwaffen durch deutsche Flugzeuge nicht grundsätzlich im Koalitionsvertrag aus. Auch der letzte Teil über die Legitimität der nuklearen Abschreckung ist durchaus auch für Laien interessant, weil er sich mit grundsätzlichen Fragen des Konzepts beschäftigt. Ein Thema ist zum Beispiel, wie sich die Kirchen in Deutschland im Laufe der Zeit zu Nuklearwaffen positionierten. Während sie zu Zeiten des Kalten Krieges zumindest mit Einschränkungen als Mittel der Friedenssicherung bezeichnet wurden, plädieren die Kirchen seit den 1980er Jahren und vor allem nach Ende des Kalten Krieges verstärkt für Abrüstung.
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