Michela Wrong stellt mit ihrer außergewöhnlichen Untersuchung eines politischen Mordes in Ruanda das Bild auf den Kopf, welches die ruandische Regierung bis heute von sich und vom Völkermord von 1994 zeichnet.
Die britische Journalistin und Schriftstellerin Michela Wrong beleuchtet in ihrem Buch vor allem den Weg des ruandischen Präsidenten Paul Kagame an die Macht. Ausgangspunkt ist dabei die Ermordung Patrick Karegeyas in der Silvesternacht des Jahres 2012 in Johannesburg. Die Geschichte des damaligen Leiters des ruandischen Auslandsgeheimdienstes zieht sich wie ein roter Faden durch die Erzählung.
Karegeya, der wie Kagame zur Volksgruppe der Tutsi gehörte, zählte zum inneren Kreis der Mächtigen um den Präsidenten. Für die Autorin besteht kein Zweifel daran, dass Kagame für diese und andere Gräueltaten auf der ganzen Welt verantwortlich ist. So führt, wie die Autorin beschreibt, Kagames Armee seit Jahrzehnten einen illegalen Krieg gegen die Bevölkerungsgruppe der Hutu im Osten der Demokratischen Republik Kongo und lässt demokratische Gegner im Ausland ermorden. Human Rights Watch veröffentlichte 2014 einen detaillierten Bericht über die Flucht und Ermordung von dreizehn ehemaligen RPF-Politikern, militärischen Führungskräften sowie Mitarbeitern des Geheimdienstes und Journalisten, die aus Ruanda flohen und in Kenia, Südafrika, Uganda oder Großbritannien ermordet, gekidnappt oder attackiert worden. Gleichzeitig zählt das von Präsident Kagame geführte Ruanda seit Jahrzehnten zu den Lieblingen der westlichen Geber, wie Wrong betont. Nicht zuletzt beim Weltwirtschaftsforum in Davos sei er regelmäßig zu Gast.
Kein wohlwollendes Regime
Mit ihrem Buch zerschlägt Wrong sämtliche Mythen über das Kagame-Regime als wohlwollendes Regime, das nach dem Völkermord Frieden geschaffen hat. Hierzu zitiert sie Gespräche mit Reporterinnen und Reportern, die während und nach dem Genozid aus Ruanda berichteten. Einige von ihnen geben an, erst im Nachhinein bemerkt zu haben, dass ihre Berichterstattung von der RPF und Kagame so manipuliert wurde, dass sie nur deren Darstellung des Genozids beleuchteten.
Auch beschreibt die Autorin die enge Zusammenarbeit Paul Kagames mit Laurent Kabila, der nach dem ersten Kongokrieg Präsident der Demokratischen Republik Kongo wurde. Als er jedoch Ende der 1990er Jahre begann, der ruandischen Regierung den Rücken zuzukehren, habe Kagame die Rebellen der Rally for Congolese Democracy unterstützt. Der Zweite Kongokrieg begann im August 1998, als sich die Zehnte Brigade der kongolesischen Armee – unterstützt von ruandischen und ugandischen Soldaten – gegen die Regierung Kabilas auflehnte. Während die Autorin die beiden Kongokriege beschreibt, weist sie immer wieder auf die ihrer Einschätzung nach federführende Rolle der ruandischen Regierung hin.
Aufklärungsbuch mit bisher kaum bekannten Fakten
Schließlich macht die Autorin ihr Publikum mit wissenschaftlichen Büchern und Aufsätzen zum Thema vertraut, die in der Öffentlichkeit bislang kaum wahrgenommen wurden.
Neben Kagames Geschichte erforscht Wrong unter anderem die Karrieren von Fred Rwigyema, Ruandas verschollenem Führer, der 1990 nach dem Einmarsch der Rwandan Patriotic Front in Ruanda unter ungeklärten Umständen ermordet wurde, und von Seth Sendashonga, Ruandas erstem Innenminister nach dem Völkermord, einem demokratischen Hutu- Politiker, der, wie sie schreibt, auf Befehl Kagames ermordet wurde.
Wrongs Aufklärungsbuch ist nicht zuletzt ein Werk außerordentlichen Mutes und eine umfassende Beschreibung einer verstrickten und komplizierten Geschichte eines kleinen Landes.
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