Fairer Handel: viele Aspekte, wenig Aussage

Der interdisziplinäre Sammelband blickt kritisch, aber unübersichtlich auf die ungleichen Machtverhältnisse bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen. Gerd und Katharina Nickoleit bieten einen Überblick über den fairen Handel von den 1970er Jahren bis heute.

Karin Fischer, Christian Reiner, Cornelia Staritz (Hg.): Globale Warenketten und ungleiche Entwicklung. Arbeit, Kapital, Konsum, Natur. Mandelbaum Verlag, Wien 2021, 400 Seiten, 25 Euro

Dass die Auseinandersetzung mit globalen Warenketten ein weites Forschungsfeld ist, zeigt schon die Schwierigkeit, sich auf angemessene Begriffe zu einigen. So sprechen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des von der Linzer Soziologin und Entwicklungsforscherin Karin Fischer und anderen herausgegebenen Sammelbandes je nach Perspektive und Disziplin von globalen Warenketten, Güterketten, Wertschöpfungsketten, Profitschöpfungsketten oder Produktionsnetzwerken. Die Herausgeber betonen in der Einleitung, dass die Forschung über Warenketten und Produktionsnetzwerke nicht auf einer einheitlichen Theorie aufbaut, sondern auf verschiedenen theoretischen Konzepten, die miteinander kombiniert werden. 

Das spiegelt sich in dem Band wider, der sich mit den sozialen und ökologischen Folgen unfairer Lieferketten für den globalen Süden ebenso beschäftigt wie mit Konzernen als Organisatoren dieser Ketten und zum Schluss mit der Frage nach einer ethisch akzeptablen Reorganisation der Weltwirtschaft. Die Themen werden mit zahlreichen Fallbeispielen und Exkursen veranschaulicht – etwa zu Nachhaltigkeitszertifikaten in der Kakao- und Schokoladenwertschöpfungskette Ghanas, zu Menschenrechtsverletzungen beim Bauxitabbau in Guinea oder zur Lachszuchtindustrie im Süden Chiles. Damit auch Laien die Aufsätze mit Gewinn lesen können, wäre allerdings weniger mehr gewesen. Bei der Fülle der Aspekte scheint kein Schwerpunkt und keine gemeinsame Fragestellung erkennbar, die die Aufsätze miteinander verbindet.

Gerd und Katharina Nickoleit: Fair for Future. Ein gerechter Handel ist möglich. Ch. Links Verlag, Berlin 2021, 224 Seiten, 18 Euro, Kindle 9,99 Euro

Um die Frage, ob und wie sich Aspekte eines gerechteren Weltmarktes in Wertschöpfungsketten einschreiben lassen, geht es auch in dem Buch von Gerd Nickoleit, dem Mitbegründer der Fairhandelsgesellschaft GEPA, und seiner Tochter, der Journalistin Katharina Nickoleit. Gerd Nickoleit sagt eingangs, dass ihm an der Entwicklung des Fairen Handels von einer Graswurzelbewegung hin zu einem Fairtrade-Siegel, das im Discounter zu finden ist, vieles nicht gefällt – was genau, lässt er allerdings offen. Zugleich bekräftigt er, dass sich durch fairen Welthandel viele wichtige Probleme der Welt lösen ließen. Welche genau, sagt er nicht. Auch Katharina Nickoleit zeigt sich überzeugt davon, dass „die Prinzipien und Mechanismen, die der faire Handel in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, uns bei der Bewältigung der heraufziehenden Krisen helfen können“. Welche, das benennt auch sie nicht. 

Hinter den ungenauen Formulierungen verbirgt sich wahrscheinlich der ungelöste Grundkonflikt des fairen Handels – er findet auf breiterer Ebene Anwendung, doch er entspricht nicht mehr der „reinen Lehre, für die die Aktivisten einst antraten“, so Nickoleit an einer anderen Stelle des Buches. Das Buch gleicht so eher einer Bestandsaufnahme, als dass es Wege in die Zukunft aufzeigen würde.

Wer sich über Entstehung, Geschichte, Funktionsweise und aktuelle Ansätze des fairen Handels informieren möchte, findet allerdings einen guten Überblick. Er reicht von den ersten Aktionsgruppen Anfang der 1970er Jahre bis zu heutigen jungen Modelabeln, die bei der Produktion ihrer Kleidung auf gute Arbeitsbedingungen und nachhaltige Materialien achten, sowie Start-ups wie das des Fridays-for-Future-Aktivisten Jascha Mähler, das Mülltüten aus in Ländern des Globalen Südens weggeworfenem Plastik herstellt und dabei den Sammlern Löhne zahlt, die sich am Vorbild des fairen Handels orientieren. Der Wunsch der Autoren zum Schluss: Der faire Handel müsse wieder jünger und unbequemer werden, Ungerechtigkeiten deutlicher anprangern und mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die die diversen Krisen unseres Planeten weiter befeuern.
 

 

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