Der Journalist Toni Keppeler zeichnet die Geschichte afrikanischer Sklaven in der Karibik und in Lateinamerika nach. Dabei verbindet er theoretische Analyse gekonnt mit journalistischer Reportage.
Über die Sklaverei in den USA gibt es hierzulande viele Sachbücher, Romane und Filme. Die Geschichte schwarzer Sklaven in der Karibik und in Lateinamerika scheint dagegen wenig bekannt. Der Journalist und Lateinamerika-Korrespondent Toni Keppeler liefert nun eine gut lesbare Übersicht über die Geschichte der Sklaverei in den europäischen Kolonien in Lateinamerika und der Karibik.
In seinem Buch rekonstruiert Keppeler die Geschichte afrikanischer Sklaven vor allem in Haiti, Jamaika, Kolumbien und Brasilien entlang von zwei Fragen: Welche Grausamkeiten wurden ihnen von den Kolonialherren angetan? Und wie haben die afrikanischen Sklavinnen und Sklaven sich dagegen gewehrt? Dabei stellt Keppeler immer wieder Bezüge zur Gegenwart her und zeigt, wie das System der Sklaverei die Länder bis heute prägt. So werden etwa auf Zuckerrohrfeldern in Jamaika nach wie vor Hungerlöhne gezahlt und der kolumbianische Staat vernachlässigt die Afrogemeinden, in denen die Nachfahren der Sklaven leben.
Das erste – und mit Abstand längste – Kapitel widmet der Autor der Inselrepublik Haiti. Im Mittelpunkt des Kapitels stehen die Kämpfe der Sklavinnen und Sklaven, die im Jahr 1804 zur Unabhängigkeit Haitis führten. Davon ausgehend zeigt Keppeler, wie die europäischen Kolonialmächte durch hohe Entschädigungsforderungen und militärische Interventionen versucht haben, die Revolution rückgängig zu machen und die Erinnerung an sie auszulöschen. So entwickelte sich Haiti – obwohl formell unabhängig – zum „Modell des postkolonialen Schuldnerstaats“. Dennoch hat die haitianische Revolution Aufstände in anderen Kolonien inspiriert, etwa im von Spanien beherrschten Venezuela.
Von Voodoo-Priestern und Bandenführern
Besondere Aufmerksamkeit widmet Keppeler der in Haiti weitverbreiteten Voodoo-Religion. Er zeichnet nach, wie sie Vorstellungen und Rituale aus Afrika adaptierte und so die Erinnerung an die jeweiligen Herkunftsorte der Sklavinnen und Sklaven wachhielt. Auch die Aufstände und Befreiungskämpfe waren mit Voodoo verknüpft. So wurde der Slavenaufstand im Jahr 1791 während einer Voodoo-Zeremonie im Wald von Bois Caïman verabredet.
Als eine Art Gegenmodell zu Haiti, das sich die Unabhängigkeit erkämpfte, beschreibt Keppeler die Insel Martinique, die bis heute zu Frankreich gehört. Wichtige Vordenker der antikolonialen Bewegungen wie Frantz Fanon und Aimé Césaire haben hier ihre Wurzeln. Keppeler führt in das Denken der beiden Theoretiker ein und zeichnet nach, wie sie die antikolonialen Bewegungen in verschiedenen Ländern geprägt haben. In weiteren Kapiteln widmet sich der Autor der Geschichte der Sklaverei in Jamaika, Brasilien und Kolumbien. In Jamaika waren selbstzerstörerische Formen des Widerstands verbreitet, wie Keppeler zeigt. So versuchten viele Sklaven, sich der Arbeit auf den Plantagen zu entziehen, indem sie sich selbst verletzten oder Erde aßen, um Durchfall zu bekommen. Jamaika ist aber auch die Heimat der sogenannten Maroons: von Plantagen geflohene Sklaven, die in Wehrdörfern eigene Gemeinschaften bildeten und sich gegen die Kolonialherren wehrten.
Dass Keppeler seit drei Jahrzehnten in Lateinamerika und der Karibik recherchiert, kommt in seinem Buch zur Geltung. Er berichtet eindrücklich von seinen Gesprächen mit Voodoo-Priestern, haitianischen Bandenführern oder afrokolumbianischen Dorfbewohnern. Die Verbindung von theoretischer Analyse und journalistischer Reportage-Elementen zählt zu den Stärken des Buches.
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