Auf der Spur der Schleusernetzwerke

Drei Jahre Recherche, 20 Länder, 400 Interviews: Der Journalist Peter Tinti und die Kriminologin Tuesday Reitano haben sich auf die Spur der Schleusernetzwerke von Flüchtlingen und Migranten gemacht, die nach Europa wollen. Herausgekommen ist ein lebendig geschriebenes Buch, das die oft hochgefährlichen Fluchtrouten, etwa aus Syrien, nachzeichnet und dabei eine differenziertere Sicht auf das Vorgehen von Schleusern und Schleppern eröffnet.

Zunächst skizzieren die Autoren die politischen Rahmenbedingungen des Schleuserwesens. Danach ist die Asylpolitik der Europäischen Union eine der zentralen Geschäftsgrundlagen: Weil es kaum legale Einreisewege gebe, müssten Schutzsuchende die europäischen Außengrenzen illegal übertreten, um einen Asylantrag zu stellen. Tinti und Reitano plädieren für einen nüchternen Blick auf die Schleuser. Trotz krimineller Machenschaften und Menschenrechtsverletzungen in manchen Netzwerken seien sie Dienstleister, die eine Nachfrage befriedigten. Einige Schleuser verstünden sich dabei sogar als eine Art humanitäre Helfer und würden von den Flüchtlingen auch so wahrgenommen.

Die vier Fallstudien im zweiten Kapitel machen den größten Teil des Buches aus. Hier beleuchten die Autoren die Schleusernetzwerke in Libyen, Ägypten, der Sahelregion und der Türkei. Grundlage sind insgesamt etwa 400 Interviews mit Migranten, Schleusern, Beamten und Wissenschaftlern. Die intensive Recherche macht sich an kleinen Details bemerkbar. So beschreiben Tinti und Reitano, wie ägyptische Schleuser einzelne Boote mit Migranten und Flüchtlingen an die Polizei übergeben, damit diese Ermittlungserfolge nachweisen kann. Sonst ließen die Behörden die Schleuser weitgehend ungestört.

Mit Lösungsvorschlägen für die europäische Migrationspolitik halten sich die Autoren zurück. Sie positionieren sich aber klar gegen eine weitere Aufrüstung an den Grenzen. Das stärke Schmuggler, die mit krimineller Energie noch größere Hürden überwinden können – und die schreckten in der Regel nicht vor Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten zurück.   

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