Das Elend mit dem Erdöl

Mit seinem Buch erklärt Stefan Peters das momentan zu beobachtende Scheitern der „Bolivarischen Revolution“ aus der Geschichte Venezuelas und aus seiner Abhängigkeit von der Erdölförderung.

Als absolut prägend für das südamerikanische Land sieht der Gießener Professor für Friedensforschung, dass sich die venezolanische Wirtschaft seit der Erschließung der ersten Ölquellen 1914 immer mehr von der Erdölförderung abhängig machte. Daraus habe sie auch Hugo Chávez trotz anfänglicher Versuche nicht befreit. Nach seinem Wahlsieg 1998 machte er sich vor allem ans Werk, aus der liberal-repräsentativen Demokratie eine partizipatorische zu machen. Die neue Verfassung, die er dazu schreiben ließ, stärkte allerdings hauptsächlich die Rechte und Vollmachten des Präsidenten.

Nach einem 62-tägigen Streik der Erdölarbeiter 2002, der sich gegen die Ernennung regimetreuer Manager richtete, tauschte der zunehmend autokratisch agierende Staatschef rebellische Fachleute gegen politisch zuverlässige Dilettanten aus. Als bald darauf der Ölpreis stieg, verfügte er über hohe Staatseinnahmen, die es ihm erlaubten, fast unbeschränkt mit Geld Politik zu machen. 2008 verstaatlichte er den mächtigen Erdölkonzern PDVSA. Das Wirtschaftsmodell im eigenen Land ließ Chávez trotz Investitionen in den Sozialbereich weitgehend unverändert, wie der Autor betont. Auch unter den Vorzeichen des Sozialismus des 21. Jahrhunderts sei Venezuela im Kern eine Rentenökonomie geblieben.

Lobende Worte findet Peters aber für die Bildungspolitik. Chávez’ Regierung habe den Zugang zu Bildung auf allen Niveaus durch höheres Budget und zusätzliche Lehrkräfte spürbar verbessert. Allerdings habe die Qualität angesichts des großen Bedarfs an Lehrern und Hochschullehrern nicht mitgehalten. Die Bevölkerung habe den geplanten revolutionären Umwälzungen eher passiv gegenübergestanden; das erklärt der Autor mit der Rentenmentalität der Venezolaner: Jeder beanspruche für sich einen Anteil an der Erdölrente.

Chávez stärkte die lateinamerikanische Solidarität durch gezielte Förderung linker und progressiver Politiker von Argentinien bis Nicaragua und Kuba. Mit ALBA (Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerika) schuf Chávez ein Gegenmodell zu neoliberalen Freihandelsabkommen, die von den USA und der EU verfolgt werden. Allerdings hängt die Kooperation in der Allianz von Öleinnahmen ab und trägt sich nicht selbst. Kein gutes Zeugnis stellt Peters auch dem TV-Kanal Telesur aus, der als Antwort der Basisbewegungen auf die kommerziellen Netzwerke wie CNN und Univisión gedacht war: Statt solide recherchierte Informationen zu liefern, betreibe er Hofberichterstattung für befreundete Regierungen.  

Für die gegenwärtige Krise Venezuelas entwirft der Autor vier mögliche Szenarien. Am wahrscheinlichsten sei, dass bald eine Opposition die Macht übernimmt, die ihrerseits keine Lösungen für das strukturelle Problem der Erdölabhängigkeit anbietet. Zum Verständnis der Dauerkrise Venezuelas ist die Lektüre dieses Buches wärmstens empfohlen.

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