Das kraftvolle Epos des Regieduos Cristina Gallego und Ciro Guerra schildert die Anfänge des Drogenhandels im Norden Kolumbiens. In starken Bildern zeigen sie, wie schnelles Geld und Machtgier indigene Völker korrumpieren und traditionelle Lebenswelten und Wertesysteme untergraben.
Kolumbien 1968. Anlässlich ihres Initiationstanzes umwirbt der ehrgeizige Rapayet die junge Zaida. Er will die Tochter eines mächtigen Clans des Wayuu-Volks heiraten, doch deren Mutter Ursula, die einflussreiche Traumdeuterin, hält den mittellosen Bewerber für ungeeignet. Daher setzt sie ein sehr hohes Brautgeld fest. Rapayet aber, dessen Onkel Peregrino ein hoch angesehener „Wortbote“ mit diplomatenähnlichem Status ist, gibt nicht auf und nutzt seine Kontakte zu Hippies des US-Friedenskorps, die nach preiswertem Marihuana suchen. Das kann er mit seinem Kumpel Moisé von seinem Cousin Anibal besorgen, der mit seinem Clan in der Sierra Hanfpflanzen anbaut. Mit dem schnell verdienten Drogengeld bringt Rapayet das Brautgeld auf, so dass Ursula der Heirat zustimmt. Nun drängt Moisé auf weitere Drogenlieferungen, die Rapayet auch organisiert. Das Geschäft boomt, Rapayet steigt zum reichsten Mann der Region auf. Der Preis für den Reichtum aber ist hoch. Als der unbeherrschte Moisé einen US-Kunden erschießt, Rapayet seinen Kumpel aber schützt, bricht ein blutiger Machtkampf zwischen den Clans von Ursula/Rapayet und Anibal aus, bei dem es nur Verlierer gibt.
Cristina Gallego, die bisher die Filme ihres Mannes Ciro Guerra produziert hat, fungiert bei „Birds of Passage“ erstmals auch als Co-Regisseurin. Sie entwickelte die Story des Films und stützte sich dabei auf tatsächliche Ereignisse aus den 1970er und 1980er Jahren. Damals stiegen Mitglieder des Wayuu-Volks auf der Halbinsel Guajira in den Drogenexport nach Nordamerika ein. Derzeit leben in Kolumbien rund 145.000 Angehörige der Wayuu, die etwa 20 Prozent der gesamten indigenen Bevölkerung des Landes ausmachen. Die Wayuu leben auch heute noch in matrilinearen Großfamilien.
Eingebettet in die dramatischen Ereignisse beschreibt das Regie-Ehepaar die traditionelle Lebensweise, die religiösen Vorstellungen und den Wertekanon der Wayuu. Eine zentrale Rolle spielt dabei Ursula, die als Traumdeuterin versteht, was die Vögel sagen, und Kontakt zu den Seelen der Verstorbenen hält. Als Hüterin des Stammesschatzes hat sie zwar großen Einfluss, am Ende kann aber auch sie die Zerstörung ihres Familienverbandes nicht verhindern.
Ursula wird von der Bühnenschauspielerin Carmiña Martínez verkörpert, deren Großmutter mütterlicherseits eine Wayuu war. Den Rapayet spielt José Acosta, dessen Großmutter väterlicherseits ebenfalls eine Wayuu war. Während die Hauptrollen von professionellen Schauspielern übernommen wurden, vertrauten die Regisseure die Nebenrollen weitgehend Laien der Wayuu-Ethnie an, um so für eine möglichst authentische Darstellung zu sorgen.
Formal erinnert die filmische Kombination aus Drogenthriller und Familienepos einerseits an Gangsterfilme und Mafiadramen wie „City of God“ oder „Goodfellas“, andererseits an klassische griechische Tragödien, weil auch hier die Protagonisten immer wieder vor Entscheidungen von existenzieller Tragweite gestellt werden. Der Untergang der Wayuu-Clans wirkt wie ein Vorspiel zu dem verhängnisvollen Drogenkrieg, den wenige Jahre später der Drogenboss Pablo Escobar mit seinem Medellín-Kartell auslöste.
Den besonderen Reiz des in fünf Kapitel gegliederten Films, der weitgehend über die Bilder erzählt wird, machen nicht zuletzt mythologische Metaphern und surreale Bildeinfälle aus. Dazu gehören die immer wieder auftauchenden, faszinierenden Vögel (siehe Filmtitel), deren tiefere Bedeutung sich den Zuschauern jedoch nur partiell erschließt.
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