Unter dem sperrigen Begriff „Farmer Managed Natural Regeneration“ (FMNR) hat sich in Westafrika eine Technik zur Wiederaufforstung etabliert, deren Potenzial noch nicht annähernd ausgeschöpft ist. Ihr Erfinder wurde jüngst mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Der Afrika-Journalist Johannes Dieterich widmet ihm ein spannendes Buch.
Der Australier Tony Rinaudo hat in der Republik Niger eine Methode entwickelt, ausgetrocknete, verkarstete Landstriche mit geringem Aufwand und ohne nennenswerte Kosten in buchstäblich blühende Landschaften zu verwandeln. Als junger Agrarökonom und Missionar war er Anfang der 1980er Jahre in das westafrikanische Land gekommen, um dort Aufforstungsprogramme durchzuführen. Das erwies sich als ausgesprochen schwierig; die meisten der teuren Setzlinge überlebten nicht einmal ein Jahr.
Als er wieder einmal enttäuscht und grübelnd die verkarstete Landschaft betrachtete, hatte er eine Eingebung. Bei genauerem Hinsehen hatte er nämlich bemerkt, dass das verstreut aus dem Sand herauslugende Grünzeug nicht einfach nur Gebüsch war, sondern dass es sich um Baumtriebe handelte. Das konnte nur bedeuten, dass das Wurzelwerk der Bäume, die hier einst wuchsen, noch am Leben war und austreiben konnte. Tony Rinaudo griff zu seinem Taschenmesser und trimmte einige dieser „Büsche“. Er schnitt die meisten Reiser ab, ließ aber das jeweils kräftigste mit einigen Seitentrieben stehen – und das Wunder geschah: In kürzester Zeit wuchsen die Sprosse zu kleinen Bäumchen heran, ganz ohne teure Setzlinge, künstliche Bewässerung und aufwendige Pflege. Unter dem etwas sperrigen Begriff „Farmer Managed Natural Regeneration“ (FMNR) propagierte Rinaudo seine neue Methode, bevor er turnusmäßig wieder nach Australien zurückberufen wurde.
20 Jahre später besuchte Tony Rinaudo sein ehemaliges Projektgebiet zusammen mit dem Afrika-Journalisten Johannes Dieterich. Ihre Reiseeindrücke schildern die beiden in dem vorliegenden, sehr anschaulich geschriebenen Buch.
Tony Rinaudo, der auch noch nach 20 Jahren Abwesenheit allerorts erkannt und freudig als „Der Waldmacher“ begrüßt wird, berichtet begeistert über die positive Entwicklung, die in aller Stille stattgefunden hat. Die Mischkultur von Bäumen und Feldfrüchten hat viele Vorteile gebracht: Ernten verdoppelten sich, Winde wurden gebremst, starke Hitze gemildert, die Luftfeuchtigkeit stieg. Nach einigen Jahren zogen die herangewachsenen Bäume Grundwasser aus großen Tiefen näher an die Oberfläche, versiegte Brunnen haben wieder Wasser; Bienenzucht und Obstanbau bringen zusätzliche Einnahmen.
Fast ausschließlich durch Mundpropaganda wurden allein in der Republik Niger schätzungsweise 200 Millionen einheimische Bäume auf circa sieben Millionen Hektar Land regeneriert. Inzwischen wurde die FMNR-Methode auch erfolgreich in Äthiopien, im Tschad, in Burkina Faso und in Mali angewandt. Wo vor zehn Jahren noch stachelige Büsche standen oder sich die Wüste ausdehnte, forsten Bauern – ohne Entwicklungshilfe oder ähnliche Zuwendungen – aus freien Stücken ihre Ländereien auf. Die Öffentlichkeit hat davon bisher kaum Notiz genommen, wie Johannes Dieterich schreibt.
Ein Selbstläufer ist die Wiederaufforstungstechnik allerdings nicht, auch wenn sie inzwischen in mindestens 24 Ländern Afrikas praktiziert wird. Wo Bauern mit Viehhirten und den Produzenten von Holzkohle konkurrieren, muss ein gerechter Ausgleich gefunden werden. Das ist nicht einfach. Auch rechtliche Hürden, unter anderem Maßnahmen zum Naturschutz, stehen der Wiederbewaldung gerodeter Flächen und ihrer Umwandlung in landwirtschaftlich genutzte Parklandschaften im Weg. Überdies lassen sich solche gemischten Flächen nicht mit dem Trend zu Monokulturen und dem Einsatz von großen Maschinen in Einklang bringen, die die moderne Landwirtschaft dominieren.
Bleibt zu hoffen, dass nicht erst alle Böden von der industriellen Agrarwirtschaft degradiert, verkarstet und aufgegeben werden müssen, bevor den traditionellen Bauern die Chance eingeräumt wird, sie wiederzubeleben und zu retten.
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